Die Diskussion über eine Temporeduzierung auf den Durchgangsstraßen der Gäugemeinde ist nach Jahren erstmal beendet – so sieht das Ergebnis aus.
Die Straßenverkehrsordnung lässt keinen Spielraum für Tempo 40 auf zwei Teilstrecken im Gechinger Ortsgebiet, wurde Schultes, Gemeinderat und zahlreichen Zuhörern in der Sitzung beschieden. „Über Jahre“, so steht es in der Tischvorlage, wurde sowohl aus dem Gemeinderat als auch aus der Bevölkerung die Forderung nach einem Tempolimit in den Ortsdurchfahrten vorgebracht. Im Juni 2020 fasste der Gemeinderat den Beschluss, für zwei Teilstücke in der Althengstetter Straße sowie der Calwer Straße eine Temporeduzierung beim Landratsamt (LRA) zu beantragen. Dies wurde jedoch nicht gemacht, sondern erstmal in einer Bürgermeisterdienstbesprechung behandelt. Eine geplante Folgebesprechung fand nicht statt. Der konkrete Antrag wurde schließlich erst am 27. Mai 2022 gestellt.
Keine Handhabe
In der jüngsten Sitzung nahm Jörg Repple, Abteilungsleiter Straßenbau und Straßenverkehr beim LRA, zum Antrag Stellung. Mit dem Tenor, dass die Situation auf den beantragten Teilstücken des „klassifizierten Straßennetzes“ in der Althengstetter Straße ab dem Zebrastreifen bei Einmündung Dorfäckerstraße bis zum Rathaus und nach der Kronenkurve in der Calwer Straße bis zur Marienlinde nach der gültigen Straßenverkehrsordnung (StVO) keine Handhabe bietet, dort weitere Tempolimits einzurichten.
Verkehrszählungen und Unfallzahlen
Sehr ausführlich legte Repple dem Rat und den zahlreichen Zuhörern den Ist-Zustand mit Zahlen der Verkehrszählungen ebenso wie mit Unfallzahlen der vergangenen drei Jahre dar. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung könne nach der StVO nur erfolgen aufgrund einer besonderen Gefahrenlage oder als Ergebnis der Berechnung und Abwägung infolge eines Lärmaktionsplans (LAP). Dieser wäre die eine Möglichkeit, weiter für Tempolimits zu kämpfen, wurde aus den Ausführungen von Repple deutlich. Oder die Gemeinde richtet eine eigene unter Verkehrsbehörde ein wie Mühlacker im Enzkreis und verfügt Tempolimits selbst. Wobei Repple betonte, dass dies trotzdem nicht rechtskonform nach der StVO ist. Aber: Wo kein Kläger, da wohl auch kein Richter.
Lärmbelästigung muss nachgewiesen werden
Gefährliche Bereiche sind bereits mit Tempolimit versehen, so Repple, zum einen entlang der Kita Zauberwald in der Althengstetter Straße (zeitlich Tempo 30) und zum anderen ortseinwärts in der Kronenstraße vor der Kurve, ebenfalls Tempo 30 und Halteverbot bis nach der Kurve. In der Uhlandstraße gilt ebenfalls Tempo 40 bis zum Fahrbahnteiler in Richtung Gewerbegebiet. „Pauschale Angaben zur Gefährlichkeit sind nicht ausschlaggebend“, sagte Repple. Und wenn eine Lärmbelästigung geltend gemacht werde, sei diese mit einem LAP nachzuweisen. Die Kosten dafür können zwischen 30 000 und 70 000 Euro liegen, ohne Garantie, dass er zum gewünschten Ziel führt, wie deutlich wurde.
Ob er empfehle, einen solchen aufzustellen, fragte Bettina Schöttmer (BU). „Kommunen unter 6000 Einwohnern reichen bei uns keinen LAP ein“, so Repple, Gechingen hat etwa 3800 Einwohner. „Sie waren schon rührig in der Vergangenheit und haben schon viel“, fand der Straßenbau-Abteilungsleiter, „die bestehenden Tempolimits, viele Zebrastreifen und eine Fußgängerampel in der Calwer Straße, die für dieses Verkehrsaufkommen dort (bei der Zählung 2018 waren es 4213 Fahrzeuge, Anm. Redaktion) heute nicht genehmigt würde.“
Anspielung auf Tempo 30 in Deufringen
Er komme sich vor wie bei Asterix, „alle Landkreise machen Tempolimits möglich, nur ein Landkreis hält sich an Recht und Gesetz“, sagte Tilman Schwarz (SPD), „ich hätte erwartet, dass der Landkreis sich bewegt und seinen Spielraum nutzt.“ Er spielte unter anderem an auf Tempo 30 in der Deufringer Ortsdurchfahrt, wo sich „kein Kiga, keine Schule, kein Pflegeheim direkt an der Straße befindet“, wie ihm Bürgermeister Jens Häußler beisprang. Auch Konstantin Böttinger (BU) pflichtete bei: „Die Praxis zeigt, dass anderes möglich ist.“
Es gibt noch Hoffnung
„Wir haben kein Ermessen,“, machte Repple noch mal deutlich, dass er keinen seiner Mitarbeiter dazu auffordern werde, gegen die StVO, die ein Bundesgesetz ist, zu handeln. Die StVO soll allerdings geändert werden, wie er ausführte. Unter anderem sollen die Lärmwerte für alle Kommunen neu berechnet werden. Er habe die Hoffnung, dass dann auch die Kommunen mehr Entscheidungsmöglichkeiten bekommen.
Antrag ist nicht aufgehoben
Eine „glatte Eins für den Vortrag“ sprach Jürgen Groß (BU) dem LRA-Vertreter zu, „ich sehe jedoch die Verkehrsbehörde in der Pflicht, etwas für die Bürger zu tun“, beim Lärm für die Anwohner sowie bei den Gefahren für die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Der „klare Vortrag“ von Repple zeige die Fakten, sagte Klaus Böttinger (FW) und auch er ist enttäuscht: „Ergebnis ist: Beim Lärm kriegen wir nichts hin und verkehrstechnisch auch nicht“. Er forderte von der Verwaltung, jetzt zügig in Erfahrung zu bringen, warum und wie im Nachbarlandkreis Böblingen oder im Enzkreis funktioniert, was in Gechingen nicht möglich sein soll. Zu beschließen gab es nichts, der mehrheitliche Beschluss zum Antrag ans LRA ist jedoch nicht aufgehoben, stellte Schwarz abschließend fest.