Der Offenburger Daniel Hernes ist alleine und ohne Hilfe alle 26 Fernwanderwege im Schwarzwald gelaufen. Im Gespräch erzählt er von den schönsten Momenten und Herausforderungen.
Ein Datum war ein Schlüsselmoment im Leben von Daniel Hernes: der 26. Februar 2014. „Ich bin zur Arbeit gefahren und hatte eine Eingebung: hör auf zu rauchen und werde Ultraläufer“, schildert der 37-Jährige sein Erlebnis. Daraufhin habe er sein komplettes Leben umgestellt. Er wurde Nichtraucher und trieb mehr Sport. Das Laufen fiel ihm indes nicht schwer, es „hat mir immer schon Spaß gemacht“. Der erste Marathon folgte 2012, zwei Jahre später der erste Ultramarathon.
Er habe 2014 vom Westweg – dem längsten und ältesten Fernwanderweg im Schwarzwald – erfahren. „Ich habe damals realisiert: Den werde ich mal laufen“, blickte Hernes zurück. Er sammelte Erfahrungen bei Wettkämpfen und stieß durch Recherche auf weitere Wege, die durch den Schwarzwald führen – insgesamt sind es 26. Die Idee, alle zu laufen, kristallisierte sich 2018 heraus. Der gelernte Groß-und Außenhandelskaufmann betrachtete die Aufgabe als persönliche Herausforderung: Er nahm sich vor, „alle Wege alleine, ohne Hilfe und so schnell wie möglich zu absolvieren“.
Der 37-Jährige lief den ersten Fernwanderweg in Mai 2020: den Kandelhöhenweg. Er führt von Oberkirch nach Freiburg. Die Wahl fiel deswegen auf diesen, da es der nächste Weg zu seinem Wohnort sei und er ihn teils schon kannte.
Beim Querweg fehlt ihm die Erinnerung an eine Nacht
Nach 80 von 112 Kilometern musste er jedoch abbrechen: „Der Fuß wurde dick, es ging nichts mehr.“ Einen Monat später, am 11. Juni, versuchte er es erneut – mit Erfolg. „Ich bin die Strecke in 14 Stunden und 28 Minuten gelaufen, eine gute Zeit“, bewertet Hernes. Nach dem ersten bewältigten Fernwanderweg „kam mir die Erkenntnis: richtig cool! Ich kann so lange laufen ohne Wettkampf“.
Nach dem zweiten Fernwanderweg – dem Zweitälersteig – in Mai 2021 sei für ihn klar gewesen, dass er das Thema voll und ganz angehe. Der im Mai 2022 angegangene Querweg stellte die bislang größte Herausforderung dar. Er habe „seine schlimmste Nacht“ erlebt und wurde von Halluzinationen geplagt. Müdigkeit und Hunger seien schlimm gewesen und er war kurz davor, mit dem Zug heimzufahren. Ihm gelang jedoch, sich selbst zum Weitermachen zu zwingen: „Ich wollte nicht abbrechen“.
Und so schloss er den Querweg nach 180 Kilometern in 27 Stunden ab – mit lädiertem Fuß, da er in der Wutachschlucht umkippte. An jene Nacht habe er keine Erinnerungen mehr, er sei wie automatisiert gelaufen. Der 37-Jährige ist sich sicher: „Der Querweg war eine Lektion, die beweist: Mich kann nichts außer Verletzungen aufhalten.“ Dabei unterscheide er klar zwischen Verletzungen, „die er rauslaufen“ könne und jenen, die eine ernsthafte Gefahr für den Körper seien.
Mit Testläufen bereitete er sich auf den Westweg vor
Das lange anvisierte Ziel – die Bezwingung des Westwegs von Pforzheim bis Basel – nahm er im August 2022 ins Visier. Er machte zuerst Testläufe, um zu prüfen, wo es Kühlschränke oder Brunnen gibt. Mit viel Vorbereitung ging er im August 2023 an den Westweg, doch er merkte schnell, dass etwas nicht stimmte. „Die Wade zwickte, ich hatte Hunger und habe schlecht rationiert“, gibt Hernes offen zu. Daher brach er das Abenteuer vorläufig ab.
Ein Jahr später wagte er sich erneut an den Westweg – und schwärmt vom Start: „Es lief alles perfekt, die erste Nacht war wunderschön.“ Ein heißer Tag machte ihm zu schaffen und dazu war noch der Supermarkt geschlossen. Daher war er gezwungen, die zweite Nacht durchzulaufen. „Das war auch für mich ungewohnt“, berichtet der Ultraläufer. Der dritte Tag sei kühl und angenehm gewesen, aber mental sei es sehr herausfordernd gewesen: „Der Westweg ist ein Monster“, lautet sein Fazit.
Eine Speckbretzel half ihm beim Weitermachen
Kleine Dinge wurden zum Genuss, etwa eine Käseplatte oder eine Bretzel mit Speck. Dies habe ihm Energie gegeben für die nächsten Schritte. Die letzten drei Kilometer der Strecke habe er größtenteils spaziert, „ich hatte keine Kraft mehr“.
Letztendlich schloss er den Westweg nach 300 Kilometern und knapp 64 Stunden ab. Der Ultraläufer hat zehn Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet und merkt an: „Der Westweg hat mich als Mensch verändert, ich sehe die Welt aus einem anderen Blickwinkel“. Das Laufen habe auch dazu beigetragen, sein Stresslevel zu senken.
Die letzten fünf Fernwanderwege lief er in diesem Jahr. Der Mittel-und Ostweg bildeten den Abschluss. Wie blickt er auf seine Errungenschaften? „Ich war nach dem finalen Lauf ohne große Emotionen, aber ich weiß, was ich geleistet habe und ich bin sehr stolz auf meine Leistung“, bekräftigt Hernes. Die Strecken werde er indes nicht noch einmal laufen, um das Gefühl nicht zu zerstören, das er beim Laufen empfunden habe.
Im kommenden Jahr stehen neue Herausforderungen an
Und die nächsten Ziele? „Ich möchte 2026 wieder an Wettkämpfen teilnehmen“, kündigt der Ultraläufer an. Da komme etwa die „Mount-Everest-Challenge“ (die 8848 Höhenmeter des Berges zu Fuß absolvieren) oder der „Backyard-Ultra“ (extremer Langstreckenlauf, bei dem die Teilnehmer jede Stunde eine Runde von 6,7 Kilometern absolvieren müssen) in Frage.
Er denke aber immer wieder gerne an die Fernwanderwege zurück: „Es ist die schönste sportliche Erfahrung, welche ich je erlebt habe.“ Eine Überlegung sei es, den Westweg als 100-Meilen-Version zu laufen, dies könne er sich vorstellen. Für den Ultraläufer Daniel Hernes gilt eben der Spruch: „Der Kessel muss brennen, laufen muss es.“
Sehr beliebt im Netz
Daniel Hernes berichtet auf den sozialen Netzwerken von seinen Läufen und sportlichen Aktivitäten – und kommt damit gut an: 358 000 Menschen folgen auf Instagram seinem Account „danny_run“, etwa 231 000 sind es bei „danny.run“ auf der Plattform „Tiktok“.