Mit dieser Machete fuchtelte der Angeklagte vor seinem Opfer herum. (Archivfoto) Foto: Danner

Es war die Kernfrage im Verfahren am Rottweiler Landgericht: War der 43-jährige Angeklagte bei der Tat schuldfähig? Am Donnerstagmorgen kam das Gericht nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen zum Urteil, dass der Mann im Eifersuchs-Wahn gehandelt hatte.

Oberndorf/Rottweil - 2019 war der Fall, der sich im Herbst 2018 ereignet hat, vor dem Oberndorfer Amtsgericht gelandet, das die psychische Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in Zweifel gezogen hatte. Es folgte die Anordnung einer forensisch-psychiatrische Begutachtung und die Übergabe an das Rottweiler Landgericht, wo der Fall neu aufgerollt und das Urteil am Donnerstag gesprochen wurde.

Dem 43-Jährigen aus dem nördlichen Landkreis war vorgeworfen worden, einen Arbeitskollegen zu Hause aufgesucht und mit einer Machete mit 30 Zentimetern Klingenlänge bedroht zu haben. Zudem war der Angeklagte betrunken und ohne Führerschein im Auto seiner Frau unterwegs gewesen. Ein zweites Mal hatte er den Kollegen auf dem Gelände der Oberndorfer Firma, für die beide tätig waren, mit einem Springmesser, bedroht.

Rasende Eifersucht

Hintergrund der Angriffe war der Verdacht des 43-Jährigen gewesen, die Ehefrau habe ein Verhältnis mit seinem Arbeitskollegen. Er habe ihn nur erschrecken, aber nicht verletzen wollen, hatte der Angeklagte am ersten Verhandlungstag ausgesagt.

In den 90er-Jahren war der 43-Jährige mit seiner Familie von Russland nach Deutschland übergesiedelt, ohne die Sprache zu beherrschen. "Das Scheitern war vorhersehbar", meinte Richter Karlheinz Münzer. So schaffte der Angeklagte keinen Schulabschluss, war traumatisiert und rutschte schon in jungen Jahren in die Abhängigkeit von harten Drogen ab, konsumierte insbesondere Heroin.

Im Heranwachsendenalter wurde er straffällig und sollte daraufhin in eine Entziehungsanstalt. Diese Chancenutzte er nicht, fing sich aber dennoch und arbeitete 16 Jahre lang in guter Position in einem Oberndorfer Betrieb.

Währenddessen fand eine Suchtverlagerung zum Alkohol statt. Fünf bis sechs Liter am Tag habe der Angeklagte konsumiert und die wahnhafte Vorstellung entwickelt, seine Frau habe eine Affäre mit dem Arbeitskollegen, fasste das Gericht zusammen.

Der psychiatrische Sachverständige hatte den Angeklagten das erste Mal 2019 begutachtet und nun nochmal 2021. Er attestierte dem 43-Jährigen eine akute Psychose zur Tatzeit. Der Angeklagte habe Stimmen gehört und habe einen Wahn entwickelt, eine paranoid-halluzinatorische Störung. "Er hat das Opfer in sein Wahnsystem eingebaut. Es wurde immer schlimmer", meinte der Richter. Die Störung habe den Angeklagten im Griff gehabt und verhindert, dass er sein Unrecht einsehen konnte. Er habe wie im Wahn gehandelt.

"Heute sitzt hier ein völlig anderer Mensch als vor drei Jahren", sagte der Verteidiger des Angeklagten. Der psychiatrische Sachverständige bestätigte das. Die Prognose für den 43-Jährigen sei sogar günstig. Es sei unwahrscheinlich, dass er Taten wie diese wiederholen werde. Inzwischen wirke der Angeklagte stabil.

Das Leitmotiv Eifersuchtswahn sei aus der Welt geschafft, so der Verteidiger. Der Angeklagte sei Vollzeit-Papa, habe das Jugendamt von seiner Qualität als solcher überzeugt und hege keinerlei Groll gegen seine Ex-Frau. Der 43-Jährige sei ebenfalls keine Gefahr für die Allgemeinheit. Deshalb sei die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht angemessen, war man sich einig.

Teil-Freispruch für Täter

Somit wurde der Angeklagte von den Vorwürfen der versuchten gefährlichen Körperverletzung und Nötigung freigesprochen. Bei der Trunkenheitsfahrt ohne Führerschein – der Angeklagte war schon mehrfach im Straßenverkehr straffällig geworden – plädierte die Staatsanwältin für eine Bewährungsstrafe von fünf Monaten, der Verteidiger für eine Geldstrafe von 900 Euro.

Richter Münzer verurteilte den 43-Jährigen zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe. Mit dem Urteil gehe nun eine lange Zeit der Ungewissheit für den Angeklagten zu Ende. Dieser habe sich dem Jugendamt gestellt, sich in eine Substitutionstherapie begeben, um aus der Illegalität herauszukommen, und sich bereitwillig vom Sachverständigen explorieren lassen.

"Sie können stolz auf Ihre Entwicklung sein", so Münzer am Verfahrensende zum Angeklagten. In einem mühsamen Prozess habe der 43-Jährige die Tat und seine Probleme verarbeitet. "Machen Sie jetzt das Beste daraus!", lautete Münzers Appell.