Elektroautos dominieren den Straßenverkehr: Laut Bosch-Prognosen ist das keine allzu ferne Zukunftsvision mehr. Foto: Bosch

Roller und kleine Elektrofahrzeuge werden nach Einschätzung des Autozulieferers Bosch in den kommenden Jahren den Stadtverkehr in Metropolen stark prägen. Die Stuttgarter treiben zudem das automatisierte Fahren voran.

Boxberg - Den Metropolen der Welt droht der Verkehrskollaps. Bereits 2050 sollen sechs Milliarden Menschen in Großstädten leben, doppelt so viele wie derzeit, sagen Experten voraus. Parallel dazu werde sich der Verkehr verdreifachen. Um die Mobilität im urbanen Umfeld auch künftig zu gewährleisten, setzt der Zulieferer Bosch auf technische Lösungen wie Vernetzung, Elektrifizierung und autonomes Fahren.

„Kleine Fahrzeuge haben weltweit eine große Zukunft“, sagt Markus Heyn, in der Bosch-Geschäftsführung zuständig für den Vertrieb, auf einer Technologiekonferenz des Unternehmens in Boxberg. Laut Schätzungen werden bis 2020 weltweit rund 100 Millionen leichte Elektrofahrzeuge hergestellt, dazu gehören Roller und kleine Pkw. Bisher finden sich E-Roller ganz überwiegend in Asien: Allein auf chinesischen Straßen surren derzeit 200 Millionen davon. Die Produktionszahlen in Asien liegen mittlerweile bei 30 Millionen Stück pro Jahr.

Bosch betreibt eScooter-Flotte in Berlin

Auch Bosch rechnet sich gute Chancen in diesem Markt aus. Noch seien die Stückzahlen des Technologiekonzerns „schrecklich klein“, so Heyn. Eine konkrete Zahl wollte er allerdings nicht nennen. Er sagte lediglich, das Bosch Zuwächse im dreistelligen Bereich plane.

Dass die Stuttgarter dabei nicht nur beim Antrieb mitmischen wollen, sondern sich auch ganz neuartige Geschäftsmodelle vorstellen können, zeigt das Beispiel Berlin. Seit August 2016 tritt der Zulieferer dort als Betreiber einer elektrisch angetriebenen und vernetzten eScooter-Flotte auf. Die Scooter selbst enthalten keinerlei Bosch-Komponenten. Kunden, die sie benutzen wollen, können sie übers Internet buchen und überall – selbst auf dem Gehweg – wieder abstellen. Das Modell kommt gut an. Zunächst surrten 200 solcher Leichtgewichte durch Berlin. Nun stockt Bosch ihre Zahl in der Hauptstadt auf 1000 auf. Und noch in diesem Sommer soll ein weiteres Projekt mit dem eScooter in Paris starten. 800 Roller stehen dort für die Kunden bereit. Auch hier ist Bosch „nur“ Betreiber. Welche weiteren Städte folgen sollen, steht noch nicht fest. Bosch liefert auch den Antrieb für den Streetscooter, mit dem die Deutsche Post Pakete zustellen will. Es ist die größte Elektroauto-Flotte in Europa.

Auch Verbrennungsmotoren sollen „alternative Antriebe“ werden

Auch wenn Bosch an die Elektromobilität in Großstädten glaubt, sollte man das „Entwicklungspotenzial des Diesels“ nicht unterschätzen, warnt Rolf Bulander, der in der Geschäftsführung von Bosch für den Bereich Mobilität zuständig ist. „Die Politik sollte die Kreativität unserer Ingenieure nicht begrenzen, indem sie eine Technik bevorzugt oder benachteiligt“, sagt er. Die aktuellen CO2-Ziele seien mit dem Einsatz der Elektromobilität allein nicht erreichbar, fügte er hinzu – und verwies auf den aktuellen Mix in der Stromerzeugung. „Wir müssen alle Register der Technik ziehen, und das heißt nach wie vor: den Diesel- und Benzinmotor optimieren“, so Bulander. Der Verbrennungsmotor könne seiner Ansicht nach selbst „zum alternativen Antrieb“ werden, wenn er mit E-Fuels betankt würde, also mit synthetischen Kraftstoffen auf Basis regenerativer Energie. Der Technologiekonzern stecke die Hälfte seines Forschungs- und Entwicklungsetats von jährlich sieben Milliarden Euro in Umwelt- und Ressourcenschonung, so Bulander.

Die Stuttgarter treiben zudem das automatisierte Fahren voran. Fast 3000 Entwickler seien damit beschäftigt. Es gehe darum das „Auto menschlicher“ zu machen, sagte Bosch-Geschäftsführer Dirk Hoheisel. Autos müssten lernen wie der Mensch vorausschauend zu fahren und Verkehrssituationen zu interpretieren. Wie stark der Markt für Fahrerassistenzsysteme wächst, zeigen die Zahlen: Erstmals hat Bosch im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde Euro damit umgesetzt – und Aufträge von 3,5 Milliarden Euro akquiriert.

Bosch will bei Mobilitätslösungen deutlich zulegen

Nicht zuletzt dank Elektromobilität und Fahrerassistenzsystemen wächst Bosch mit Mobilitätslösungen deutlich. Im laufenden Jahr strebt der Zulieferer in dem Bereich ein Wachstum von sieben Prozent an. Dieser Wert liege knapp dreimal so hoch wie der Zuwachs der weltweiten Autoproduktion. Auch im Dieselgeschäft gebe es ein leichtes Beschäftigungswachstum, sagte Bulander. Vor allem der Nutzfahrzeugbereich stütze derzeit die Geschäfte. Die Diesel-Pkw-Zulassungen hätten sich im April auf „niedrigerem Niveau stabilisiert“. In Deutschland lag der Dieselanteil in diesem Monat bei 37 Prozent und in Europa bei 44 Prozent.

Im vergangenen Jahr hatte Bosch im Bereich Mobilität mit 227 000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 44 Milliarde Euro erzielt. Bulander kündigte nun an, dass Bosch die Forschungsaktivitäten rund um die Mobilität erhöhen werde. Bis zum Jahresende 2017 würden 48 000 Forscher und Entwicklerweltweit in dem Bereich tätig sein, 4000 mehr als zu Jahresbeginn. Gestärkt werden soll der vor allem Bereich Software und automatisiertes Fahren.