Handelsverband strikt gegen Allgemeinverbindlichkeit
Bereits zur Jahrtausendwende hatten sich die Handelsarbeitgeber von der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge verabschiedet und damit die Tarifflucht großen Stils erst ausgelöst. Je mehr diese voranschreitet, desto erbitterter kämpft Verdi darum, zum alten Zustand zurückzukommen. Doch damit läuft die Gewerkschaft bei den Arbeitgebern beharrlich gegen die Wand.
„Eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge ist mit uns auf gar keinen Fall zu machen“, betont Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Baden-Württemberg. Der Flächentarifvertrag sei ihr zwar sehr wichtig, denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten fair miteinander umgehen – dazu brauche es verlässliche Regeln. Aber die Mantel- und Entgeltverträge seien in Teilen völlig veraltet und müssten überarbeitet werden. „Da kann ich Unternehmen verstehen, wenn sie ein paar Regeln nicht gut finden und nicht gebunden werden wollen.“
Auch grundsätzlich habe der Handelsverband Einwände, sagt Hagmann mit Verweis auf das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit, wonach niemand dazu gezwungen werden darf, einem Arbeitgeberverband oder einer Gewerkschaft beizutreten. „Daher verbietet sich jeglicher Gedanke an eine Allgemeinverbindlichkeit.“
Zäher Kampf auf der politischen Ebene
Auf politischem Wege allgemeinverbindliche Tarifverträge zu fördern, daran hatte sich schon die frühere Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erfolglos versucht. Verdi verlangt unter anderem, die Blockademöglichkeit der Arbeitgeber in den paritätisch besetzten Tarifausschüssen auszuhebeln. Doch dass der amtierende Minister Hubertus Heil (SPD) da mehr erreicht als die Vorgängerin, erscheint zweifelhaft.
Nach früheren Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) sind 38 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel in unmittelbar tarifgebundenen Unternehmen tätig. Darüber hinaus sei bei 60 Prozent des Personals im Westen, das bei nicht tarifgebundenen Firmen tätig ist, eine Orientierung an den Tarifgehältern festzustellen. Und lediglich drei Prozent aller Beschäftigten seien Verdi-Mitglieder, fügt Hagmann hinzu.
Die wirtschaftliche Lage der Branche bezeichnet die Hauptgeschäftsführerin als „sehr komplex“. Es gebe viele Herausforderungen wie die Digitalisierung, mehr Bürokratie und härteren Wettbewerb. „Dies stellt gerade mittelständische und kleinere Unternehmen vor Herausforderungen.“ Auch aus diesem Grund sei die 6,5-Prozent-Forderung der Gewerkschaft für ihre Seite unverständlich. Verdi-Funktionär Franke kontert: „Die Arbeitgeber behaupten im Einzelfall immer, dass es ihnen schlecht geht, was für Teile der Branche ja auch stimmt – im Großen und Ganzen haben sie aber hervorragende wirtschaftliche Kennziffern.“
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