Bauarbeiter verdienen bald mehr Geld. Foto: dpa/Andreas Arnold

Am Bau gibt es einen Tarifabschluss: Demnach werden Gehälter im Westen in drei Stufen um 6,2 Prozent bis März 2024 angehoben. Zudem soll es eine Entschädigung für lange Anfahrtswege zur Baustelle geben.

Berlin - Der erfahrene Schlichter Rainer Schlegel, im Hauptberuf Präsident des Bundessozialgerichts, hat einen Streik im Bauhauptgewerbe quasi in letzter Minute abwenden können. Unter seiner Moderation erzielten die Industriegewerkschaft (IG) Bau sowie der Zentralverband des deutschen Baugewerbes und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie einen Durchbruch im Tarifkonflikt. Für 890 000 Mitarbeiter gibt es nun für 33 Monate deutlich mehr Geld.

Bernhard Sänger, Präsidiumsmitglied der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, saß die gesamte Zeit am Verhandlungstisch in Berlin und zeigte sich erleichtert, dass nun ein Schlichtungsergebnis vorliegt: „Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sind in diesen Verhandlungen jeweils an ihre Grenzen gegangen“, sagte er. Bei mehreren Punkten habe es längere Zeit nach nicht lösbaren Differenzen ausgesehen. Umso erfreulicher sei auch für die 1600 Mitgliedsbetriebe mit ihren 42 000 Beschäftigten im Südwesten, dass es nun zu einer Einigung gekommen sei. „Jetzt können wir uns mit aller Kraft den enormen Bauaufgaben widmen, die in den nächsten Monaten vor uns liegen“, freute sich Sänger.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Tarifkonflikt im Baugewerbe

Konkret bekommen die Mitarbeiter im Westen zunächst eine Coronaprämie von je 500 Euro für die Monate Juli bis Oktober. Die Beschäftigten im Osten erhalten einmalig 220 Euro. Die Tabellenentgelte steigen im Westen zum 1. November um zwei Prozent, im Osten um drei Prozent. Am 1. April gibt es eine weitere Erhöhung im Westen um 2,2 Prozent und 2,8 Prozent im Osten. Am 1. April 2023 gibt es im Westen einen Zuschlag um weitere zwei Prozent und im Osten um 2,7 Prozent. Dazu wurden auch für 2022 und 2023 Einmalzahlungen vereinbart: Am 1. Mai gibt es einmalig 400 Euro, ein Jahr später noch einmal 450 Euro. Die Laufzeit des Tarifvertrags endet am 31. März 2024.

Entschädigung für lange Anfahrtswege

Zudem gelang eine Einigung beim Streit über die Entschädigung für oftmals lange Anfahrtswege zu den Baustellen. Für Wege bis zu 50 Kilometer zahlt der Arbeitgeber ab Januar 2023 sechs Euro, ein Jahr später sieben Euro. Bei bis zu 75 Kilometern sind es acht Euro im ersten Schritt und neun Euro im zweiten. Über 75 Kilometer gibt es elf sowie neun Euro am Tag. Für Bauarbeiter, die nicht jeden Tag nach Hause fahren können, gibt es bei Entfernungen zwischen 75 und 200 Kilometern – hier pro Fahrt – neun Euro, bei bis zu 300 Kilometern 18 Euro und bei bis zu 400 Kilometern 27 Euro. Bei über 400 Kilometern werden je Fahrt 39 Euro ausgeglichen. Die Wegstreckenentschädigung tritt erst 2023 in Kraft, damit die Firmen die Kosten bei künftigen Aufträgen berücksichtigen können.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Zank übers Kurzarbeitergeld

„Erstmals haben wir eine erkennbare Entschädigung für die vielen Beschäftigten, die erst nach langen Fahrten auf ihre Baustelle kommen“, freute sich Carsten Burckhardt vom IG-Bau-Vorstand. „Sie haben oftmals gar keinen Einfluss darauf, wo sie eingesetzt werden – heute hier, morgen dort.“ Natürlich sehe er bei den Entschädigungen „noch Luft nach oben, aber der Einstieg ist gemacht“. IG-Bau-Chef Robert Feiger sprach von einem „tarifpolitischen Meilenstein“.

Insgesamt bekannte er: „Unsere Vorstellungen für eine gerechtere Entlohnung lagen durchaus höher, aber mit dem Kompromiss können wir leben.“ Die Einkommenssteigerung liege insgesamt über der Inflationsrate, und sie sei im Osten durchweg höher als im Westen – damit sei die Angleichung von Ost- und Westlöhnen endgültig festgeschrieben. „Damit ist ein Ende der über dreißigjährigen Ungleichbehandlung festgelegt“, lobte er.

Verhandlungsführer der Arbeitgeber sind zufrieden

Uwe Nostitz, Verhandlungsführer der Arbeitgeber und Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, erklärte nach „langwierigen Verhandlungen mit einer komplizierten Materie“: „Wir haben uns bewusst für einen Tarifvorschlag in freien Verhandlungen entschieden, damit die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung bei den Mitgliedsverbänden liegt.“ Jutta Beeke, die Vizepräsidentin des Hauptverbands der Bauindustrie, ergänzte: „Es ist uns gelungen, ein umfangreiches Paket zu einem Ergebnis zu bringen, das mit einer langen Laufzeit für Planungssicherheit in den Unternehmen sorgen kann.“