Steinwand hinter der Couch? Tapeten mit Struktur sehen den Originalen täuschend ähnlich.
Stuttgart - Wie wäre es mit eleganten Schieferfliesen im Bad oder mediterranem Mauerwerk im Wohnzimmer? Viel zu teuer, sagen die einen. Viel zu aufwendig, meinen die anderen. Beides stimmt nicht: Einfache Tapeten mit strukturierter Oberfläche bilden hochwertige Naturoptiken originalgetreu nach. Ein natürliches Wohnambiente ist auf diese Weise auch ohne dicken Geldbeutel und versierten Innenarchitekten möglich. Allerdings muss das Tapetendesign in den Raum passen. Aber was genau ist eine Strukturtapete? Der Begriff ist weit gefasst. Gemeinsam ist allen das Material, nämlich Vliesstoff, und die reliefartige Oberfläche. „Das bewirkt ein Wechselspiel aus Licht und Schatten und bringt Lebendigkeit in den Raum”, sagt Karsten Brandt. Dem Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts zufolge verkaufen sich Strukturtapeten schon seit einigen Jahren gut. „Was in diesem Jahr im Trend ist, sind nachgestellte Naturmaterialien, die natürliche Oberflächen wie Holz und Stein nachbilden.” Je nach Einsatzgebiet schaffen die Tapeten wahlweise die Atmosphäre eines toskanischen Landhauses oder einer norwegischen Blockhütte.
„Diesen Naturtrend gibt es in allen Bereichen, sei es beim Bio-Essen oder dem Urlaub auf dem Land”, sagt Brandt. Ähnlich sieht das Trendforscher Prof. Axel Venn: „Dahinter steckt die Suche nach einer Form von Echtheit. Ob das Material dann wirklich echt ist, ist nicht die Frage”, erläutert der Experte aus Berlin. „Der Anschein von Authentizität reicht. Oft wissen die Fachleute schon nicht mehr, was echt ist oder nicht.” Nur wo passen solche ausgefallenen Tapeten überhaupt rein? Vor allem in einen puristischen Raum, der viel Licht hat, sagt Brandt.
„Dadurch stelle ich den Schatten auf der Tapete gut dar. Das ist eine sehr moderne Art, einen Raum zu gestalten. In einem Loft könnte ich mir das gut vorstellen.” Eine strukturierte Wandoberfläche wirkt allerdings nur wohldosiert. „Ich habe dann zum Beispiel drei weiße Wände und eine mit einer Tapete mit Holz- oder Steinmuster.” „Strukturtapeten eignen sich als Highlight in der Wohnung, aber nicht an allen vier Wänden”, sagt auch Venn. „Sie werden schön, wenn sie nicht überall sind. Oft reicht nur eine Andeutung.” Die vermeintliche Steinwand im Wohnzimmer soll ein Bild andeuten, das wir weiterspinnen können. Es sehe besonders gut aus, wenn die Naturoptik in eine einfarbige Tapete übergeht. Die müsse aber genau einen Farbton des Musters treffen, damit beide Teile ein „harmonisches Ensemble” bilden.
Wichtig ist außerdem eine zurückhaltende Einrichtung: Viel Plüsch oder Kommoden mit Reise-Souvenirs passen nicht. „Wer schon sieben bunt gemusterte Kissen auf dem Sofa liegen hat, braucht dahinter keine zusätzliche Tapete mit einem aufwendigen Muster”, erklärt Wohn-Expertin Katharina Semling aus Oldenburg. Der Natur-Look müsse immer in die Wohnung passen. „Ein steinerner Torbogen in einer kleinen, schlichten Wohnung sieht schnell extrem albern aus.” Funktionieren natürliche Materialien in den eigenen vier Wänden, werden sie Venn zufolge schnell zu „Gemütlichkeitsecken”. Die rustikale Optik lasse sich gut mit futuristischen Fronten mit Klavierlack, Glas oder Spiegelflächen kombinieren, bestätigt der Fachmann. „Das Nostalgische mit dem Zukünftigen verbinden - dieser Gegensatz stellt eine spannende Beziehung her. Immer nach einem Temperament zu leben, das ist langweilig.” Strukturtapeten passen aufgrund ihrer pflegeleichten Oberfläche aber auch gut in Küche und Bad. Ihr Material ist dampfdurchlässig und strapazierfähig, die Tapeten lassen sich gut abwaschen. Manche Modelle sind sogar scheuerfest. „Da kann ich auch mit einer relativ festen Bürste ran und den Schmutz oder Fleck richtig abbürsten, ohne dass die Oberfläche beschädigt wird”, erläutert Brandt. Er empfiehlt außerdem, beim Kauf jede Tapete in die Hand zu nehmen. Muster könne man oft mit nach Hause nehmen, um die Wirkung in der Wohnung beurteilen zu können.
Preislich reißen die Tapeten trotz ihres eigentümlichen Designs nicht nach oben aus: Eine einfache Rolle kostet je nach Hersteller meist zwischen 20 und 40 Euro. „Da kann man sich sagen: Gut, ich habe diese Tapete jetzt zwei Jahre. Wenn ich Lust auf was Neues habe, mache ich mir was anderes dran”, sagt Brandt. Das ist bei echtem Holz oder Stein deutlich schwieriger. Und den Unterschied bemerkt im Zweifelsfall nicht einmal der Experte.