Michael Hakenmüller ist nicht kategorisch gegen die Reaktivierung der Talgangbahn – er stellt sie sich aber sehr anders vor als die Planer.
Ende des 19. Jahrhunderts ließen mein Urgroßvater und seine Kollegen die „Talgangbahn“ von Ebingen nach Onstmettingen bauen. Ihr Erfolg gründete darin, dass sie eine Transportbahn war, welche die rasch wachsende Menge von Rohstoffen für die boomende Textilindustrie sowie die produzierte Ware einfach und schnell anlieferte beziehungsweise in die weite Welt verteilen half. Dass sie dazu noch eine Schülerbahn wurde, war ein willkommenes Zubrot. Indes war sie nicht mehr wirtschaftlich, als Anfang der 1980er Jahre der Niedergang der Textilindustrie einsetzte. Gleichzeitig hatte sich nämlich die Technik der Automobile weiterentwickelt – und individueller nutzbar waren sie ohnehin.
Jetzt sind wir (fast) so weit, dass E-Mobilität nicht mehr nur auf der Bahntrasse möglich ist, sondern auf den Hauptstraßen selbst – geräuscharm, ökologisch und mit bedarfsgerecht großen Bussen. Indes behält die halbhoch über dem Talgang gelegene Bahntrasse ihren Charme und stellt eine seltene touristische Chance dar, um welche andere Städte und Regionen Albstadt beneiden würden – man denke an die „Cable Cars“ in San Francisco.
Wenn man im Halbstundentakt drei oder vier autoelektrisch, also ohne Hochspannungsleitung betriebene achtsitzige und nicht zu schwere Aussichtswagen für Touristen laufen ließe, müssten nicht gleich die vorhandenen Brücken erneuert werden, die den Löwenanteil der Kosten bescheren, und auch das Häringsteinviadukt nicht, sofern man die Züge nördlich davon abfahren ließe. Im weiteren Verlauf könnten die großen Haltestellen in Truchtelfingen, Tailfingen und Onstmettingen wettergeschützt ausgebaut werden – und darauf spezialisierte Bauunternehmen wie etwa Leonhard & Weiss aus Göppingen könnten das Gleisbett in einem Vierteljahr modernisieren.
150 Millionen Euro – das kann sich keiner leisten. Die Verantwortlichen sollten sich Adolph Kolpings Maxime zu eigen machen: „Was Du im Großen nicht kannst, brauchst Du im Kleinen nicht unversucht lassen“.
Michael Hakenmüller, HechingenSchreiben Sie uns: leserbriefe@schwarzwaelder-bote.de. Mit der Übersendung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihr Leserbrief in der Printausgabe, im E-Paper sowie im Onlinedienst des Schwarzwälder Boten veröffentlicht wird. Wir behalten uns Kürzungen vor. Leserbriefe entsprechen nicht notwendig der Meinung der Redaktion.