Warsteiner-Chefin Catharina Cramer schwärmt von der Vielseitigkeit des Biers. Foto: dpa/Bernd Thissen

Der Gerstensaft gilt noch immer als Männersache. Zum Tag des deutschen Bieres am 23. April verraten Frauen aus dem Brauerei-Gewerbe, was sie an dem vermeintlichen Männergetränk so fasziniert.

„Natürlich fand ich es als Kind schade, dass wir eine Bier- und keine Schokoladenfabrik hatten, aber heute ist es das spannendere Produkt für mich“, sagt Warsteiner-Chefin Catharina Cramer. Bier sei ein so vielseitiges Produkt, schwärmt die 44-Jährige, die das Familienunternehmen in neunter Generation leitet.

 

Derselben Meinung ist auch die Bier-Sommelière Jutta Knoll aus Bonn. Geschmack und Genuss faszinieren sie: „Es kann süß, sauer, fruchtig oder malzig sein - Bier ist breiter gefächert im Aromen-Spektrum als Wein“, sagt die 49-Jährige voller Begeisterung. Aber klar, Bier habe schließlich auch mehr Zutaten als Wein, sagt die Expertin, die seit drei Jahren Seminare und Verkostungen rund um das Thema Bier anbietet.

Bier zum Abendbrot

Auch Braumeisterin Schwester Doris, die seit über 40 Jahren in der Klosterbrauerei im bayerischen Mallersdorf am Braukessel steht und nach eigenen Angaben bekannt ist wie ein „bunter Hund“, liebt ihre Tätigkeit – und das Produkt, das dabei entsteht. „Zum Abendbrot trinke ich immer ein Bier, einen halben Liter.“ Das sei ein großer Genuss, sagt die 73-Jährige. Und mit ihrer Liebe zum Bier ist sie im Kloster nicht allein.

Etwa 18 Prozent ihrer Bierproduktion von 3000 Hektoliter jährlich trinken die 480 im Kloster lebenden Nonnen, weiß Schwester Doris. Sie ärgert sich über das negative Image des Getränks – vor allem, wenn es um Frauen geht: „Wenn eine Frau zwei Gläser Rotwein trinkt, da sagt keiner was. Wenn aber eine Frau zwei Gläser Bier trinkt, wird schon getuschelt, ob die wohl nicht zu viel trinkt.“

Wein im sozialen Status über dem Bier

Das liegt laut der Soziologin Yvonne Niekrenz vor allem daran, dass Wein zwar weder als männlich noch als weiblich wahrgenommen werde, aber dennoch unterscheidend wirke, in dem es auf den sozialen Status verweise. „Da ist Wein einfach dem Bier übergeordnet. Die Trinkregel „Bier auf Wein, das lass sein“ soll ja nicht nur vor Kopfschmerzen schützen, sondern warnt auch vor dem Abstieg in der sozialen Performance, wenn am Ende der Zechtour vielleicht das Geld nicht mehr für den Wein reicht. Das Weintrinken signalisiert also etwas anderes als das Biertrinken, nämlich Status und beispielsweise Kennerschaft“, erklärt Niekrenz von der Universität Rostock.

Nach Angaben der Wissenschaftlerin vollzieht sich jedoch mit der Craft-Bier-Bewegung gerade eine Aufwertung des Bieres. Das bestätigt auch Bier-Sommelière Knoll. „Es ist ein anderes Bild, das vermittelt wird.“ Und das habe mit der großen Vielfalt an Craft-Bieren zu tun, aber auch mit der Darstellung und der Präsentation. „Das fängt schon bei den Gläsern an“, so Knoll. „Da sagen viele, dass das ja wie ein Weinglas aussieht. Craft-Bier wird nicht assoziiert mit Fußball und sich betrinken.“ Daher fänden auch Frauen eher Zugang zum Getränk.

Das Geschlecht von Getränken

Vielseitigkeit, Genuss und Geselligkeit – das sind drei Begriffe, die im Gespräch mit der Sommelière, der Bier-Unternehmerin und der Braumeisterin immer wieder fallen, wenn es um das vermeintliche Männergetränk geht. Aber warum trinken laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) Männer sechsmal mehr Bier als Frauen? „Nicht nur Menschen, sondern auch bestimmte Konsumgüter haben ein Geschlecht. Prosecco beispielsweise wird eher weiblich, Bier als eher männlich wahrgenommen. Das hat mit Sozialisation zu tun, aber auch mit Marketing. Bierwerbung hat mehr männliche Protagonisten“, erklärt Niekrenz. Das Biertrinken sei, wie andere Konsumgüter auch, ein soziales Signal, das nicht zuletzt auf geschlechtliche Differenzierung ziele, so die Wissenschaftlerin. „Ich signalisiere damit meine Geschlechtsidentität.“

Aber nicht nur der Konsum ist männlich konnotiert - auch die Branche gilt als Männerdomäne. „Momentan ist sie in männlicher Hand, das stimmt. Aber es gibt viele Frauen, die den Betrieb ihrer Familie weiterführen“, weiß Schwester Doris. Warsteiner-Chefin Cramer kann das bestätigen: „Ich bin viel gereist und hatte mit vielen Frauen zu tun. Es gibt viele Töchter, die in den Familienunternehmen gerade nachrücken. Da passiert einiges.“

Viele Frauen in Führungspositionen

Laut dem Deutschen Brauer-Bund wird die Hälfte der zehn größten Brauereien in Deutschland mehrheitlich von Frauen geführt. Auch in der Bier-Sommelière-Branche tut sich was: So sind laut dem Verband der Diplom Biersommeliers derzeit 593 weibliche Biersommelières dort organisiert - 17 Prozent der Mitglieder. Der Anteil habe sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Während in den Gründungsjahren (2005-2008) sieben Prozent der jährlichen Beitritte von Frauen erfolgte, betrage der Anteil der Neueintritte nun 20 Prozent. Auch im Handwerk des Bierbrauens findet eine (weibliche) Entwicklung statt: Lag der Anteil der angehenden Brauerinnen und Mälzerinnen 1997 noch bei gut vier Prozent, waren es 2017 bereits über elf Prozent – Tendenz weiter steigend, wie der Deutscher Brauer-Bund mitteilt.

Doch was viele überraschen mag, ist nicht neu, denn in früheren Zeiten war Bierbrauen vor allem Frauensache. Fast 700 Jahre lang – bis ins tiefe Mittelalter – wurde das Brauhandwerk fast nur von Frauen betrieben. Die Arbeit am Sudkessel gehörte zur Hausarbeit. Erst mit der Industrialisierung hat sich das Bild gewandelt. Schwester Doris hat auch über eine Frau in die Branche gefunden. „Ich habe bei einer Ordensschwester gelernt – Schwester Lisana. Sie hatte 1932 ihre Lehre als Brauerin abgeschlossen und dann die Brauerei im Kloster geführt. Als sie alt war, hatte sie mich gefragt, ob ich die Brauerei weiterführen würde, da habe ich sofort zugesagt.“