Wolfgang Ehni erläutert Interessierten die Orgel in der Balinger Stadtkirche. Foto: Meinert

Aktion: Besondere Andacht und Führungen in der Balinger Stadtkirche anlässlich des "Tags der Orgel"

Zum Abschluss des Orgeltags in der evangelischen Stadtkirche Balingen waren am Sonntagnachmittag diverse Werke und dazu passende Bibeltexte zu hören.

Balingen. Den Beginn bildete die Komposition "Glocken" des 1950 geborenen Hans Peter Braun. Anders als der Titel vermuten lässt, versucht die Komposition nicht, den Klang der Glocken zu imitieren – stattdessen greift sie im Plenum den majestätischen Klang eines großen Geläuts auf, der zugleich die Bezeichnung der Orgel als Königin der Instrumente rechtfertigt.

Nach der Begrüßung durch Pfarrerin Birgit Wurster folgten mit "Passacaglia und Fuge c-moll" von Johann Sebastian Bach ein Werk, bei dem die barocken Register der Orgel zum Einsatz kamen. Der Bezirkskantor verband die ideenreiche Komposition Bachs mit einer abwechslungsreichen Registrierung, die die Struktur der musikalischen Komposition unterstrich und zeigte gleichzeitig seine Virtuosität als Konzertorganist.

Als "Textjuwel" aus der Bibel folgte das "Hohelied der Liebe" aus dem Korintherbrief, das von Birgit Wurster in einer zeitgemäßen Übersetzung vorgetragen wurde. In die Klangwelt der Romantik führte anschließend das Stück "Melodia" von Max Reger – das Werk beeindruckt nicht durch virtuose Läufe oder Verzierungen, sondern durch die von ihm ausgestrahlte Ruhe. Als weiterer Bibeltext folgte das bekannte "Beispiel des barmherzigen Samariters" aus dem Lukas-Evangelium. Die dort gestellte Frage des Schriftgelehrten, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen, wurde musikalisch durch die Orgelverse über "Hilf, Herr, meines Lebens" des 1933 geborenen Jan Janca aufgegriffen: In seiner Komposition im modernen Stil erweitert Janca die durchkomponierten Liedverse um drei Variationen, in denen er den cantus firmus zunächst rhythmisch mit Synkopen variiert, um ihn dann nur noch fragmentarisch zu verwenden.

Den Abschluss der Orgelandacht – nach Vater Unser und Segenswort – bildete wie schon beim Gottesdienst am Vormittag das Werk "Sortie" von Lois Lefébure Wély, von Wolfgang Ehni mit großer Virtuosität und Spielfreude vorgetragen.

Vor der Orgelandacht am späten Sonntagnachmittag hatte es am "Tag der Orgel" in der Stadtkirche Führungen gegeben, bei denen Interessierte das Instrument näher kennenlernten. "So wie jeder Mensch eine andere, eigene Stimme hat, hat auch jede Orgelpfeife eine eigene, individuelle Stimme", erklärte Ehni und ließ die tiefsten und höchsten Töne der Orgel erklingen. Er wies zudem auf die Klangunterschiede zwischen Holz- und Metallpfeifen sowie Lippen- und Zungenpfeifen hin. Und präsentierte die dynamische Bandbreite der Orgel von ganz leise bis ganz laut und öffnete die Gehäusetüren der beiden Rückpositive für einen Einblick in das Innenleben des Instruments. Und er gab einen Überblick über die Geschichte der Stadtkirchenorgel: Das Hauptgehäuse mit dem markanten Orgelprospekt – der "Sichtfront" – stammt von Johann Sigmiund Haußdörfer und wurde 1767 eingeweiht. Mehrere Umbauten und Erweiterungen folgten in den Jahren 1914, 1934, 1942 und 1948, als die Orgel erstmals um zwei Rückpositive erweitert wurde. Ein Neubau des Innenlebens erfolgte 1973 durch Orgelbaumeister Friedrich Weigle unter Verwendung vorhandener Pfeifen; 1990 wurden die Rückpositive erneuert und in der Oprik an den historischen Orgelprospekt angepasst. 2014 folgte der Einbau der Setzeranlage und zusätzlicher Register, verbunden mit einer klanglichen Nachintonation.

Heute, so Ehni, präsentiert sich die Orgel als Universalorgel mit einer großen Auswahl barocker, romantischer und moderner Register, die es erlauben, unterschiedlichste Musikstile authentisch wiederzugeben.