Die Königin der Instrumente in der Stadtkirche. Foto: Buckenmaier

Kirchenmusik: Das Jahr 2021 steht im Zeichen der Königin der Instrumente / Kantoren haben eine Besonderheit ausgeliehen

2021 erfährt die Orgel eine mediale Aufmerksamkeit durch das "Jahr der Orgel" wie wahrscheinlich noch nie in dieser Dichte. Zum Tag der Orgel am kommenden Sonntag erklingt die Königin der Instrumente in der Nagolder Stadtkirche den ganzen Tag über.

Nagold. Im Jahr 2008 gründeten einige Landesmusikräte gemeinsam die Initiative "Instrument des Jahres", um mit einem Aktionsprogramm das Interesse für ein Musikinstrument und seine Bedeutung zu wecken. Die ursprüngliche Intention war, Aufmerksamkeit besonders für die Instrumente zu gewinnen, die nicht immer im Mittelpunkt der Beachtung stehen oder wo sich nicht werbungslos, quasi automatisch, Nachwuchs findet.

Nach dem Saxophon (2019) und der Violine (2020) wurde für 2021 die Orgel zum Instrument des Jahres erkoren. Dies ist eine einmalige Chance für das Instrument als solches wie auch für die Kirchenmusik insgesamt – wird die Orgel doch immer noch allgemein als das Instrument der Kirche angesehen, wenngleich Gesang, Blechbläser, Gitarre, (E-)Piano und Cajon in Summe wahrscheinlich ähnlich oft und viel die Kirchenräume in Gottesdiensten und Konzerten zum Klingen bringen.

Mehrstimmig begleiten

Die "Königin der Instrumente" ist allermeist das größte und vielstimmigste analoge Musikinstrument eines Ortes, mit dem eine einzige Person mehrstimmig den Gemeindegesang bei Chorälen und auch neuen Liedern führen und begleiten kann; Originalkompositionen und Bearbeitungen in stilistischer Vielfalt brausen mit unvergleichlichem Sound klanggewaltig durch Kirchenräume und Konzertsäle; die Virtuosität der Spielenden, die mit Händen und Füßen motorisch-akrobatisch polyphon vielschichtig musizieren, zieht Zuhörer – und inzwischen per Video auch immer mehr Zuschauer – in den Bann.

Im Dezember 2017 wurden der Orgelbau und die Orgelmusik in die Liste des immateriellen Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. In Deutschland werden zurzeit rund 50 000 Orgeln von etwa. 3 500 hauptamtlichen und über 10 000 neben- und ehrenamtlichen Organisten bespielt. Trotzdem gestaltet sich die Frage des Nachwuchses angesichts der Demographie und der Lebenswelt heutiger junger Organisten immer schwieriger. Begabte ausgebildete Jugendliche ziehen zum und nach dem Studium aus ländlichen Regionen weg, so dass dort Nachwuchsprobleme und die Organistenversorgung für Gottesdienste an der Tagesordnung sind. Werden die Orgeln dort nicht mehr gespielt, sondern von Bläsern, Pianisten, Sing-/Musikteams und Bands ersetzt, ist die Einsicht der Gremien zum Erhalt und der Pflege der Instrumente nicht immer gewährleistet. Nach einigen Jahren "verrottet" die Orgel, Reparaturen und Instandhaltung werden für die Gemeinden unerschwinglich, das Instrument wird stillgelegt, da auch die Aussicht auf organistischen Nachwuchs fehlt und am Ende bei der nächsten Kirchenrenovierung verkauft oder entsorgt – so schon vielerorts in südlichen und östlichen Ländern Europas geschehen.

Um dem entgegenwirken und allgemeines Interesse sowie wertschätzende Beachtung zu wecken, gibt es 2021 besonders viele Initiativen, die "Königin der Instrumente" öffentlichkeitswirksam von der Empore ins Rampenlicht zu rücken – und das eben nicht nur kirchenintern, sondern auch von anderen Institutionen. Zuallererst am "Tag der Orgel", den es bereits seit 2010 gibt: Er findet immer zeitgleich mit dem "Tag des offenen Denkmals" am 2. Sonntag im September statt, im "Jahr der Orgel" also am kommenden Wochenende.

Nachtmusik am Vorabend

Am Vorabend, Samstag, 11. September, spielt in der Katholischen Kirche St. Peter und Paulus um 21.30 Uhr die katholische Kirchenmusikerin Waltraud Götz eine "Nachtmusik." Es erklingen bekannte Melodien und Lieblingsstücke. Anmelden sollte man sich bis Samstag unter 07452/66423, 14 und 18 Uhr.

Am Sonntag klingt die Orgel den ganzen Tag in der Evangelischen Stadtkirche: selbstverständlich bereits im Gottesdienst um 9.30 Uhr. Im Anschluss um 11.30 Uhr findet die erste von fünf Orgelführungen statt, die allesamt für Kinder und Erwachsene interessant sind und jeweils 35 Minuten dauern. Alles wird live auf die Beamer-Leinwand übertragen – dadurch werden Details sichtbar, die bei einer üblichen Orgelführung verborgen bleiben.

Die Bezirkskantoren haben extra für diesen Tag beim Verband Evangelischer Kirchenmusik in Württemberg eine Besonderheit ausgeliehen: einen Orgelbausatz in zwei Koffern, der darauf wartet, zusammengebaut zu werden. Kleingruppen werden zusammen mit einem Jung-Orgelbauer das Instrument in 45 Minuten im Johannesraum aufbauen, so dass man darauf musizieren kann. Und einen Orgelbastelbogen aus Papier gibt es am Ende auch noch. Die Termine (11.00, 13.30, 14.30, 15.30, 16.30 Uhr) werden nach Eingang der Anmeldungen vergeben.

Um 19 Uhr gibt es ein einstündiges, abwechslungsreiches Orgelkonzert, bei dem die Organistin zwischendurch interviewt wird: Hanna Schulte (Herrenberg), Bundespreisträgerin und ab Oktober Kirchenmusik-Studentin an der Musikhochschule in Stuttgart spielt ein Barock-Klassik-Programm mit Werken von Muffat, Knecht, Bach, Haydn, Beethoven und Schumann.

Alle Veranstaltungen finden bei freiem Eintritt statt, Spenden sind sehr willkommen. 3G ist ebenso erforderlich wie die Anmeldung unter Bezirkskantorat.Nagold@elk-wue.de.

Die Orgelführungen am Sonntag, 12. September, in der Stadtkirche Nagold im Überblick:

11.30 Uhr: Über 2000 Jahre alt! Die Geschichte der Orgel

13.30 Uhr: Wie viele Orgeln gibt es in der Stadtkirche? Auf Erkundungstour mit Orgelbär Petzi

14.30 Uhr: Das Digitalisierungsprojekt an den Orgeln der Stadtkirche

15.30 Uhr: Viola, Flöte und Trompete: Registerfamilien und wie sie klingen

16.30 Uhr: Wie viele Orgeln gibt es in der Stadtkirche? Auf Erkundungstour mit Orgelbär Petzi