Erika Mai, Leiterin der Stadtbücherei in Sulz, präsentiert mit "Tonies" ihr digitales Medienangebot. Foto: Roth

Stadtbücherei: Besucherzahlen haben sich in Pandemie halbiert

Sulz. Der coronabedingte Lockdown hat in der Stadtbücherei Sulz Spuren hinterlassen. Zum Tag der Bibliotheken am kommenden Sonntag, 24. Oktober, zieht Erika Mai, Leiterin der Stadtbücherei Sulz, eine ernüchternde Bilanz für das Jahr 2021.

Ein Blick auf die Besucherzahl und die Leihfrequenz bereiten Mai Sorgen. Rund 5700 Medien wurden im Jahr 2019 bis Oktober mehr verliehen, als im gleichen Zeitraum im laufenden Jahr. Auch die Zahl der Büchereigänger hat sich mehr als halbiert: Kamen im Jahr 2019 noch rund 5000 Besucher, verzeichnet Mai in diesem Jahr lediglich 2000 Gäste, die das breitgefächerte Medienangebot nutzen. "Der Abholservice während des Lockdowns wurde gut angenommen. Seitdem wir wieder geöffnet haben, ist die Nachfrage aber sehr verhalten", erzählt Mai.

Schuld gibt sie dafür auch den ständig wechselnden Hygiene-Vorschriften: Acht bis zehn Mal seien die Regeln geändert worden. "Viele Menschen verlieren den Überblick." Das zeigt sich auch daran, dass viele Kunden vor dem Besuch bei Mai anrufen und nachfragen, was die Voraussetzung für einen Büchereibesuch ist. Momentan gilt die 3G-Regel mit Maskenpflicht. Mai spricht deshalb bewusst Schulkinder an: "Die Tests aus der Schule gelten auch hier." Zu einem Bibliotheksbesuch vor der Coronavirus-Pandemie habe sich lediglich geändert, dass ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden müsse.

Ob der Lockdown den Bibliotheken dauerhaft geschadet hat? "Das will ich jetzt noch nicht beurteilen. Viele Stammkunden kündigen an, dass sie ohne Hygieneregeln wieder in die Stadtbücherei kommen." Die Hoffnung bestehe, dass dies nicht nur leere Versprechungen sind. Angst vor einem hohen Infektionsrisiko müsse niemand haben: "Die Räumlichkeiten sind groß, wir können genügend Abstand halten", lädt Mai alle Sulzer in die Stadtbücherei ein. Beim Einkaufen im Supermarkt sei die Wahrscheinlichkeit viel höher, sich mit dem Virus zu infizieren, ist sich Erika Mai sicher.

Trotz geringer Besucherzahlen zeichnet sich ein klarer Trend zu digitalen Medien aus: Die "Onleihe" des 2012 gegründeten Verbund "SchwAlbE" – das Kürzel steht für Schwarzwald-Alb-Elektronik" – werde auch in Sulz rege genutzt. Über das Portal können online E-Books, E-Paper und E-Audios ausgeliehen werden. Der Verbund "SchwAlbE" kann unter anderem auch in den Bibliotheken in Oberndorf und Rottweil genutzt werden. Bei der "Onleihe" gilt dasselbe Prinzip wie bei der Ausleihe vor Ort: Das E-Medium kann nur von einer Person genutzt werden. Bis zur Rückgabe ist es für andere Nutzer gesperrt.

Auch hier bestätigen die Zahlen die Einschätzungen Mais. 2021 wurden bis in den Oktober 3755 Online-Leihen in Sulz registriert. Im Jahr 2019 – als eigentlich viel mehr Betrieb herrschte – lag die Zahl im gleichen Zeitraum nur bei 3166 ausgeliehenen E-Medien. Um den Geist der Zeit nicht aus den Augen zu verlieren, setzt die Stadtbücherei unter anderem auf "Tiptoi" und "Tonies". Ausgeliehen werden können Figuren, die in Kontakt mit der "Tonies"-Box Musik und Hörspiele abspielen. "Das wird sehr gut angenommen." Und wer hätte es gedacht: "Die gute alte CD oder DVD ist bei Kindern nach wie vor beliebt", erklärt Mai.

Übrigens: Alle Medien in der Sulzer Stadtbücherei wurden bei regionalen Händlern erworben. Wer dem lokalen Einzelhandel etwas Gutes tun möchte, kauft also nicht bei Online-Giganten wie Amazon, sondern leiht in Sulz seinen Lesestoff.

Stirbt das gedruckte Buch demnächst völlig aus? "Das halte ich für ausgeschlossen. Die Haptik eines gedruckten Buches ist ein unverwechselbares Gefühl." Viele Kunden entscheiden sich trotz digitaler Alternativen bewusst für das Print-Erzeugnis. Und für Kinder sei ein Bilderbuch in gedruckter Variante ohnehin mehr wert.

Apropos Kinderbücher: Am Tag der Bibliothek am kommenden Sonntag bietet Mai eine Lesung ab 15 Uhr in der Stadtbücherei für drei- bis sechsjährige Kinder an. Nach einer Anmeldung ist der Eintritt kostenlos.

Mai tut alles dafür, die Jüngsten in die Stadtbücherei zu locken: "Lesen ist eine Grundkompetenz", weiß sie. Mit dem Regelbetrieb in Schulen hofft Mai, dass Büchereiführungen – im Lehrplan der zweiten Klasse ist dies vorgesehen – wieder angenommen werden. "Das sind unsere neuen Kunden" – die sollen bei der Stange gehalten werden. Das soll mit weiteren Lockerungen auch wieder einfacher werden: "Statt Päckchen zu verschicken, möchte ich die Kunden wieder vor Ort beraten."