Die Helfer sind längst in rauen Gewässern unterwegs: gut 900 Menschen werden im Balinger Tafelladen mit Lebensmitteln versorgt. Nun ist die Diakonie an Bord. Dort melden sich ohnehin Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Kritik übt die Tafel an Foodsharern.
Es ist kein Geheimnis: Die Kirchen im Land verschmälern sich, Pfarrstellen werden abgebaut. Bislang war die evangelische Kirche einer der Kooperationspartner der Balinger Tafel. Seit dem Jahreswechsel hat diesen Posten die Diakonie inne.
„Für die Kunden ändert sich nichts“, sagt Tafelchefin Nathalie Hahn. Diakonie-Geschäftsführer Micha Haasis ergänzt: „Die Diakonie betreibt ohnehin schon Läden wie das Kaufwasch-Café in Ebingen, der Tafelladen ist für uns kein Neuland.“
„Die Schuldnerberatung wird wieder blühen“
Seit dem Ukrainekrieg sind nicht nur die Kosten für private Haushalte explodiert, der Ansturm auf die Tafeln hat auch deutlich zugenommen. „Die Schuldnerberatung wird wieder blühen“, prophezeit Patricia Seibert-Klöck für ihr Geschäftsfeld. Sie war gemeinsam mit Hahn und Haasis sowie Peter Blechmann von der Tafel und dem katholischen Pfarrer Wolfgang Braun zum Pressegespräch im neu eingerichteten Aufenthaltsraum für die 40 Ehrenamtlichen gekommen.
„Das ist Wertschätzung für die Arbeit unserer Ehrenamtlichen“
Die wuseln und werkeln an diesem Vormittag emsig, sortieren Obst, putzen Gemüse, bestücken die Regale mit Lebensmitteln. „Ales Gemüse putzen ist nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig“, weiß Hahn. Umso größer war die Freude, als die Volksbank Hohenzollern-Balingen jüngst ein modernes Kühlregal für Milch, Joghurt und Co. mitfinanzierte. „Das ist Wertschätzung für die Arbeit unserer Ehrenamtlichen“, sagt Blechmann.
Hahn und Blechmann sind Freunde kurzer Wege – mit der Diakonie als Kooperationspartner fallen Umwege weg: dort können Menschen sich zum Beispiel an die Schuldnerberatung wenden oder sich Infos in Sachen Wohngeld holen. „Das wurde erhöht, was viele aber gar nicht wissen“, sagt Haasis. „Bei der Stadt Balingen wurden deswegen drei Vollzeitstellen besetzt.“
„Wir sehen die Not direkt bei uns“
Ob jemand Anspruch auf einen Tafelausweis hat, wird bei der Diakonie geprüft. Das können Rentner sein, Menschen, die Bürgergeld beziehen oder alleinerziehende Väter und Mütter. Sie haben unter Umständen Anspruch auf einen Kinderzuschlag, damit die Kids zum Beispiel zur Nachhilfe gehen können.
„Wir sehen die Not direkt bei uns“, sagt Diakonie-Mitarbeiterin Seibert-Klöck und meint damit die steigende Nachfrage an Beratung. Viele Eltern würden Vollzeit arbeiten, hätten sogar Nebenjobs – trotzdem reiche das Geld nicht.
„Ein Drittel sind Kinder“
200 Kunden kommen pro Woche zum Einkaufen in die Olgastraße. Dahinter stecken gut 900 Menschen, die mit günstigen Lebensmitteln ihren Hunger und Durst stillen müssen. „Ein Drittel sind Kinder“, sagt Hahn.
Die Tafel ist auf Spenden angewiesen. Jüngst konnten die Mitarbeiter zwei Paletten Nudeln abholen, zu Weihnachten gab es Sachspenden, Benefiz-Vereine würden lange haltbare Lebensmittel wie Öl, Mehl oder Zucker kaufen und der Tafel zur Verfügung stellen.
„Foodsharer sind vogelfrei“
Viele Supermärkte stellen Lebensmittel zur Verfügung, auch solche, die für den regulären Verkauf nicht mehr geeignet sind, erklärt Hahn. Diese würden allerdings immer weniger, seit es mehr Foodsharing-Initiativen gebe, ergänzt Blechmann.
Die Lebensmittelretter würden Nahrungsmittel abholen, die in der Tafel gebraucht würden. „Der Handel spart sich das Geld fürs Entsorgen“, sagt Blechmann und kritisiert: „Foodsharer sind vogelfrei, müssen nicht auf Hygiene und Kühlketten achten.“ Sinnvoller wäre es, wenn diese privaten Initiativen die überschüssigen Lebensmittel bei der Tafel abhole.