Gute Laune beim SC Freiburg: Trainer Christian Streich, Torwart Mark Flekken. Foto: dpa/Federico Gambarini

Der SC Freiburg steht an der Spitze der Fußball-Bundesliga, doch dessen Trainer spricht vom Klassenverbleib. Als Grund führt er auch die Dreifachbelastung an, die diese Woche beginnt.

Der SC Freiburg ist Tabellenführer der Fußball-Bundesliga, was durchaus als Besonderheit gesehen werden darf – schließlich steht der Club erstmals seit 22 Jahren wieder ganz oben. Bemerkenswert ist allerdings auch, dass diese historische Leistung ohne den VfB Stuttgart nicht möglich gewesen wäre.

Das liegt zum einen daran, dass der VfB vor zwei Wochen sein Heimspiel gegen den SC Freiburg 0:1 verloren hat, weil es ihm nicht gelang, sich genügend Torchancen zu erarbeiten. Es liegt aber auch an dem Duell, das am 12. August 2000 im Dreisamstadion stattfand. 4:0 gewann das Team von Trainer Volker Finke damals durch Tore von Dreyer, Zeyer, Baya und Dorn am ersten Spieltag gegen den VfB, danach befanden sich die Freiburger auf Rang eins – und anschließend 22 Jahre nicht mehr. Bis zum vergangenen Wochenende, was allerdings nicht allen sofort bewusst war. Angesprochen auf die Tatsache, dass seine Elf nun Spitzenreiter sei, meinte Maximilian Eggestein zehn Minuten nach dem 3:2-Sieg bei Bayer Leverkusen: „Das höre ich jetzt zum ersten Mal.“

Streich interessiert Rang eins nicht

Es hat sich dann schnell herumgesprochen, auch im Mannschaftskreis. Euphorie machte sich deshalb allerdings nicht breit. Im Gegenteil. „Es wäre gelogen, wenn ich das nicht cool finden würde“, sagte Michael Gregoritsch, „aber wir wissen das einzuordnen.“ Und Kapitän Christian Günter erklärte der Journalistenschar, dass die Saison ja noch jung sei: „Wenn wir am 34. Spieltag da oben stehen würden, dann würdet ihr mich jetzt nicht mehr hier stehen sehen.“ Vermutlich hat die Zurückhaltung seiner Jungs dem Trainer ganz gut gefallen.

Christian Streich, der beim ersten Coup im Jahr 2000 die A-Junioren des SC trainierte, gilt bekanntlich als Meister der Untertreibung. Dazu passte, was er zur Tabellenführung sagte: „Sie interessiert mich so was von nicht!“ Die Ziele seien schließlich ganz andere. „In einem Jahr, in dem wir Europapokal spielen, geht es darum, dort gute Spiele zu machen und Freiburg in der Bundesliga zu halten. Wenn das gelingt, war es ein gutes und schönes Jahr“, meinte Streich. „Und das ist mein vollständiger Ernst.“

Sechs Torschüsse, drei Treffer

Das mag sich angesichts der Entwicklung des SC etwas zu defensiv anhören – schließlich ist der Club längst ein etablierter Bundesligist (zuletzt gab es die Abschlussplatzierungen acht, zehn und sechs). Die Verantwortlichen machen seit Jahren herausragende Arbeit, das Team hatte diesmal nur einen prominenten Abgang zu verkraften (Nico Schlotterbeck/Borussia Dortmund), wurde aber erstklassig verstärkt und breiter aufgestellt, gehört bei Standardsituationen weiterhin zu den besten der Bundesliga. Und trotzdem ist es sicher kein Fehler, realistisch zu bleiben. Der SC Freiburg hat zwar mit zwölf Punkten aus fünf Spielen seinen bisher besten Saisonstart hingelegt, dabei aber nicht immer geglänzt. Die 1:0-Siege beim VfB Stuttgart und gegen den VfL Bochum waren harte Arbeit, Bayer Leverkusen ist vor der Pause klar überlegen gewesen, ließ insgesamt nur sechs Torschüsse zu. Diese reichten den Freiburgern allerdings zu drei Treffern durch die Neuzugänge Matthias Ginter (48.), Michael Gregoritsch (51.) und Ritsu Doan (72.).

„Unsere Leistungen waren teilweise durchwachsen. Die Ergebnisse sind für das, was wir gerade machen, herausragend. Wir haben im Moment das nötige Glück“, sagte Christian Streich, „da würden die Jungs vielleicht widersprechen. Aber ich sehe die Spiele. Und das sogar immer zweimal.“ Beim Videostudium wird der Coach nun noch mehr zu tun bekommen.

Die Europa League beginnt

Denn zur Wahrheit gehört auch, dass an diesem Donnerstag mit dem Duell gegen Karabach Agdam aus Aserbaidschan die Gruppenphase der Europa League beginnt – und damit die ungewohnte Dreifach-Belastung. „Die Mannschaft hat sich das verdient“, sagte Streich, „aber jetzt heißt es für uns: Spiel, Spiel, Spiel, und dann werden wir auch Spiele verlieren. Auch welche hintereinander.“

Könnte sein. Muss aber nicht.

Derzeit wirkt der SC Freiburg jedenfalls ziemlich gefestigt, er tritt routiniert auf, zeigt Konstanz und ist in der Lage, knappe Führungen zu verteidigen. Gut möglich, dass er auch nach dem nächsten Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (Sonntag, 17.30 Uhr) noch Spitzenreiter ist, zumal Streich einige gute Kicker in der Hinterhand hat. Neuzugang Daniel-Kofi Kyereh zum Beispiel, der vom FC St. Pauli kam, und dem einige Experten bescheinigen, der beste Spieler der vergangenen Zweitliga-Saison gewesen zu sein. Der Mittelfeldmann kam bisher erst zu drei Kurzeinsätzen und verstärkte zuletzt das Drittliga-Team beim 1:0 gegen den FC Ingolstadt. Mit diesem Sieg verbesserte sich der SC Freiburg II auf Rang drei, ist derzeit die beste zweite Mannschaft im Profifußball. Wenn’s läuft, dann läuft’s.

Dachte sich wohl auch der Fan, der sich der allgemeinen Zurückhaltung nicht anschließen wollte. Und twitterte, dass es in der Bundesliga gerade nur eine Mannschaft gebe, die aus eigener Kraft Meister werden könne: der Tabellenführer SC Freiburg.