Erschreckend: In der MGH-Studie wurden Akten bis zurück in die 1940er-Jahre untersucht und ausgewertet. Von 1946 bis zum Jahr 2014 zählt die Studie 3677 missbrauchte Kinder. Foto: © Yeti Studio – stock.adobe.com/Pixabay/congerdesign

Eine erschreckende Studie bewirkt, dass Lukas Nusser aus Furtwangen sich gemeinsam mit vielen anderen Katholiken gegen alte Systeme stark macht.

 
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Es hat Zahlen gebraucht, erschreckend hohe Zahlen, bis eine weitreichende Veränderung angedacht wurde. Nach Veröffentlichung der MHG-Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche wurde von der deutschen Bischofskonferenz einstimmig ein neuer Weg, der Synodale Weg, beschlossen.

Die MHG-Studie – sie ist benannt nach den Orten der Universitäten des Forschungszusammenschlusses: Mannheim, Heidelberg und Gießen – trägt den Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ und wurde 2018 veröffentlicht.

3677 missbrauchte Kinder

In dieser wurden Akten bis zurück in die 1940er-Jahre untersucht und ausgewertet. Von 1946 bis zum Jahr 2014 zählte die Studie 3677 missbrauchte Kinder.1670 Kleriker werden des Missbrauchs beschuldigt. Mehr als die Hälfte der Kinder war zu dem Tatzeitpunkt maximal 13 Jahre alt, und in jedem sechsten Fall kam es zu unterschiedlichen Arten der Vergewaltigung. Dreiviertel der betroffenen Kinder standen dabei in einem seelsorgerischen oder kirchlichen Verhältnis zu den Angeschuldigten. Die Zahlen der Studie sind erschreckend hoch, doch dabei beleuchten sie nur die dokumentierten Fälle. Die Dunkelziffer ist wohl noch viel höher.

Junge Menschen engagieren sich

Die Zahlen und Fakten schwarz auf weiß vorgehalten zu bekommen, erschütterte nicht nur die Welt, sondern auch die katholische Kirche. Deswegen wurde der Synodale Weg gegründet. Die Forderungen nach einer Reformation, einer Veränderung, innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft bewegt auch viele junge Menschen. Junge Menschen wie Lukas Nusser aus Furtwangen. Er engagierte sich schon als Jugendlicher in der katholischen Kirche. Die Zeit als Ministrant und Mitglied in der Katholischen jungen Gemeinde (KJG) habe ihn geprägt und ihn zu dem Menschen gemacht, der er heute ist. Die katholische Kirche sei seine „spirituelle Heimat“, deswegen engagiere er sich so stark.

Absolutistische Gewaltenverteilung zentrales Thema

Nach seinem Abitur beschloss der junge Furtwanger, in Mannheim BWL und Jura zu studieren. Während seines Studiums erfuhr er vom sogenannten Synodalen Weg. Er bewarb sich, wie 230 andere junge Menschen, für den Synodalen Weg und war einer von 15, die ein Gremium wurden. Das zentralste Thema für Nusser sei die absolutistische Macht- und Gewaltenverteilung innerhalb der katholischen Kirche. Auch eine neue Sexualmoral, Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Bekämpfung der Homophobie sind wichtige Themen, die in der Synodalversammlung besprochen werden.

Dokumentation im ZDF

Der 22-Jährige befindet sich inmitten von alldem und darf mitreden. Vor drei Monaten meldete sich sogar das ZDF bei ihm und fragte, ob er Lust hätte, Teil einer Dokumentation zu sein. „Ich hab mich total gefreut, dass eine junge Stimme relevant ist“, offenbart er. In dem ZDF Format „37 Grad“ wird nicht nur seine Meinung vorgestellt, sondern auch die einer konservativen jungen Frau, die der Meinung ist, die katholische Kirche solle zurück zu den Wurzeln kehren.

Insgesamt haben er und das Team sechs Tage lang gedreht. Die Tage seien aufregend, aber auch herausfordernd gewesen. „Man hat von morgens bis abends die Kamera auf sich gerichtet“, erklärt Nusser. Sein Umfeld habe sich für ihn mitgefreut und ihn dabei unterstützt. Seine Mitbewohner wurden sogar auch gefilmt und sind Teil der Doku. Besonders freue er sich auf das Feedback seiner Eltern, denn die würden wohl das ehrlichste geben.

Die Dokumentation

Wann und wo?
Im ZDF-Format „37 Grad Leben“ wird sie am Sonntag, 12. März, um 9.03 Uhr unter dem Titel „Update gescheitert? – Kirche im Reformversuch“ gezeigt. Die Wiederholung gibt es am selben Tag um 12.50 Uhr bei 3sat.