Horst Steffen hat allen Grund zum Jubeln – er überwintert mit Aufsteiger SV Elversberg in der dritten Liga mit acht Punkten Vorsprung an der Spitze. Foto: Imago/Fußball-News Saarland/Fabian Kleer

Aufsteiger SV Elversberg verblüfft in der dritten Liga mit begeisterndem Offensivfußball und ist inzwischen sogar ein heißer Tipp für die zweite Liga. Erfolgsgarant ist Trainer Horst Steffen, der in dem Höhenflug Parallelen zu seiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers sieht.

An was dieser Höhenflug des Fußball-Drittligisten SV Elversberg denn liegt? „Einzig und allein am Trainer“, antwortet Horst Steffen. Kurz lässt er einen perplexen Zuhörer zurück, dann lacht er herzhaft. Diese Schlagfertigkeit, aber auch dieses Selbstbewusstsein gehörte in der Zeit bei den Stuttgarter Kickers nicht zu seinen hervorstechenden Eigenschaften. Dort ist der Mensch Horst Steffen hauptsächlich durch seine freundliche, höfliche, äußerst sympathische, aber stets eher zurückhaltende Art in Erinnerung geblieben. „Ich habe bei den Kickers Erfahrungen gemacht, die mich reifer gemacht haben“, sagt der Trainer, der in seiner aktuellen Erfolgsgeschichte durchaus Parallelen sieht zu den lange Zeit begeisternden Auftritten der Blauen unter seiner Regie.

 

Von 2013 bis 2015 bei Kickers

„Wie heute in Elversberg herrschte auch damals bei den Kickers ein tolles, emotionales Miteinander unter charakterlich einwandfreien Spielern“, erinnert sich Steffen. Im September 2013 war er in Degerloch eingestiegen, führte das Team aus dem Keller noch auf Platz acht, im Jahr danach schrammte man mit Rang vier haarscharf an den Aufstiegsspielen zur zweiten Liga vorbei, erlebte begeisternde Spiele im Ausweichquartier in Reutlingen oder im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund.

Jetzt erobern Horst Steffen und sein SVE-Team mit begeisterndem Offensivfußball die dritte Liga im Sturm. Ist sogar der Durchmarsch möglich? Sind die Überflieger aus der saarländischen Provinz gar ein Tipp für die zweite Liga?

„Warum nicht?“, antwortet Steffen mit einer Gegenfrage. „Ich habe keine Lust, die Euphorie zu bremsen. Ich mag Herausforderungen, und wenn diese steigen, steigt auch der Anspruch an einen selbst“, erklärt Steffen, der auf die Frage, wo es für ihn selbst als Trainer noch hingehen soll, antwortet: „So weit nach oben wie möglich.“

Beste Offensive

Das ist der neue Horst Steffen. Immer noch freundlich und sympathisch, aber nicht mehr nur bescheiden und zurückhaltend, sondern eben auch angriffslustig. Wie seine Mannschaft. Mit 42 Toren hat sie die beste Offensive, die Torjäger sind Luca Schnellbacher (9), der Ex-Ulmer Jannik Rochelt (8) und Kevin Koffi (5). Mit acht Punkten Vorsprung auf den zweiten Aufstiegsplatz überwintert das Team an der Tabellenspitze. Als Aufsteiger. Nach zwei zweiten Plätzen in der Regionalliga in den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 hatte es im vergangenen Sommer endlich mit dem lang ersehnten Sprung in die dritte Liga geklappt.

Im Oktober 2018 war Horst Steffen als Nachfolger von Roland Seitz eingestiegen. Nils-Ole Book übernahm die Aufgabe als Sportdirektor. Danach ist die Mannschaft Stück für Stück gewachsen. Der Verein setzt auf Kontinuität. Als es vor eineinhalb Jahren in einer schwierigen Phase mal nicht ganz so rund lief, wurde demonstrativ der Vertrag mit Steffen bis Juni 2023 verlängert.

„Klein-Hoffenheim“

Elversberg – das ist einer von zwei Ortsteilen der Gemeinde Spiesen-Elversberg mit 7500 Einwohnern. SV Elversberg – das ist die Familie Holzer, das sind Vater Frank (Aufsichtsratschef des Vereins) und Sohn Dominik (Präsident des Vereins). Mit ihrem Pharmaunternehmen (Jahresumsatz rund 250 Millionen Euro) erinnern sie, maßstabsgerecht verkleinert, an die Verbindung Dietmar Hopp und TSG 1899 Hoffenheim. „Klein-Hoffe“ wird Elversberg deshalb auch genannt. Mit Geld, Geduld und einer klugen Transferpolitik hat der Club den weitaus traditionsreicheren Clubs der Region – 1. FC Saarbrücken, FC 08 Homburg und FK Pirmasens – derzeit den Rang abgelaufen. Und auch die lange Zeit überschaubaren Zuschauerzahlen im Stadion an der Kaiserlinde – in dem die Stuttgarter Kickers 2008 die Qualifikation für die eingleisige dritte Liga perfekt machten – gehen in die Höhe: Beim Heimspiel am 5. November gegen Borussia Dortmund II (3:1) kamen 6087 Besucher, zuletzt gegen den SC Freiburg II (3:0) 5653.

Erinnerung an Borussia Neunkirchen

„Die Menschen interessieren sich für uns, die Resonanz ist deutlich gestiegen“, freut sich Steffen. Er selbst werde häufig auf der Straße angesprochen, zuletzt bekam er von einem 73-jährigen Fan einen Brief: Die begeisternde Spielweise erinnere ihn an Borussia Neunkirchen in der 1960er Jahren – da spielte der Nachbar in der Bundesliga.

So weit sind sie in Elversberg noch lange nicht. Und gerade Steffen weiß, wie schnell sich im Fußball der Wind drehen kann. Bei den Kickers bekam er im November 2015 den Laufpass. „Micha, du bist kein Trainer“, sagte er zum Abschied zum damaligen Sportdirektor Michael Zeyer, der ihn als U-19-Coach von Borussia Mönchengladbach geholt hatte und gut zwei Jahre später auch wieder entließ. Auch bei seinen nächsten beiden Stationen, Preußen Münster (Dezember 2015 bis Oktober 2016) und Chemnitzer FC (Juli 2017 bis Januar 2018), musste der gebürtige Krefelder früher als geplant gehen.

Sein Glück scheint er nun in Elversberg gefunden zu haben – dieser neue Horst Steffen, den nicht zuletzt die Erfahrungen bei den Kickers haben reifen lassen.