Am Ende kam es für Bundestrainer Löw richtig dicke: Auch Özil und Klose sagten noch für das Prestigeduell gegen Holland ab. Der Dortmund-Block muss das Kommando übernehmen.
Amsterdam - Au Backe! Nach den Last-Minute-Absagen von Spielmacher Mesut Özil und Torjäger Miroslav Klose muss Joachim Löw für das Prestigeduell gegen die Niederlande einen Notfall-Plan aus dem Hut zaubern. „Die Nominierung ist nicht optimal“, sagte Oliver Bierhoff nach dem Treffpunkt der Fußball-Nationalmannschaft am Montag in Amsterdam zur langen Ausfallliste. Vom Stammpersonal fehlen gleich acht EM-Akteure, angefangen bei Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger.
Öffentlich infrage stellen mochte Bierhoff keinen der Absagegründe von einer Grippe über muskuläre Probleme bis hin zu einem unstrittigen Muskelfaserriss. Trotzdem trüben die Ausfälle die Vorfreude auf die Kraftprobe mit dem Erzrivalen um Bondscoach Louis van Gaal. „Uns ärgert es, weil wir die Spieler nicht hier haben“, gestand Bierhoff: „Man möchte das Jahr immer gerne gut beenden.“
Löw ist ohne die kurzfristig fehlenden Schweinsteiger, Kroos, Boateng, Özil, Klose und Schmelzer sowie die schon länger verletzten Khedira und Badstuber am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) zum Improvisieren gezwungen. Am Wochenende hatte der Bundestrainer noch einen entspannten Abend mit seiner Frau und dem Ehepaar Rehhagel in einem feinen Restaurant an der Piazza Farnese in Rom mit Mozarella und Rotwein verbringen können. Spätestens bei der Weiterreise nach Amsterdam war es dagegen um die Gelassenheit geschehen. Nach dem verrückten 4:4 gegen Schweden benötigt Löw schließlich einen positiven Jahresabschluss.
Löw muss Lücken mit unerfahrenen Kräften stopfen
Am Montag hatten auch noch Özil (muskuläre Probleme) und Klose (Grippe) ihre Holland-Reise kurzfristig storniert, nachdem das Duo keine 24 Stunden zuvor noch erfolgreich für Real Madrid bzw. Lazio Rom im Einsatz gewesen war. Immerhin reiste Bayern-Profi Thomas Müller trotz Erkältung an. BVB-Profi Hummels verteidigte jedoch die fehlenden Kollegen gegen den Verdacht, Verletzungen oder Erkrankungen vorzugeben: „Die englischen Wochen verlangen einem sehr viel ab.“
Löw muss die großen Lücken mit jungen, unerfahrenen Kräften stopfen. Nach dem Dortmunder Sven Bender und dem Frankfurter Neuling Sebastian Jung nominierte er am Montag auch noch Lewis Holtby nach. Der Schalker wurde von der U 21-Auswahl zum A-Team abkommandiert. Aus der Not soll eine Tugend gemacht werden, wie Bierhoff bemerkte: „Es ist auch die Möglichkeit, den einen oder anderen zu testen.“
Das gilt insbesondere für das Kraftzentrum im defensiven Mittelfeld, wo nach den Ausfällen von Schweinsteiger, Khedira und auch Kroos der Dortmunder Ilkay Gündogan (22) und der Leverkusener Lars Bender (23) als Sechser-Duo einspringen dürften. Mario Götze könnte Özils Spielmacherrolle übernehmen, Lukas Podolski für Klose ins Sturmzentrum rücken. „Es ist gut, dass wir auf allen Positionen einen hohen Konkurrenzkampf haben“, kommentierte Bierhoff.
Die erste von ohnehin nur zwei Trainingseinheiten auf dem Platz wurde von Löw überraschend gestrichen. Stattdessen blieben die 19 Akteure im Hotel. „Es soll einen Tag regenerativ gearbeitet werden. Das ist bei dieser Witterung besser als draußen“, begründete Bierhoff die Maßnahme. Nur beim Abschlusstraining am Dienstag wird Löw seine weitgehend neu formierte Startelf einspielen können. „Die Vorbereitungszeit ist gering“, gestand Bierhoff.
Naustädter und Jung vor Länderspieldebut
Auch die Aufarbeitung des Schweden-Schocks macht ohne etliche Beteiligte des verspielten Vier-Tore-Vorsprungs von Berlin kaum noch Sinn. Die Lehren sollen aber dennoch gezogen werden und im Spiel gegen die hochmotivierten Holländer zu erkennen sein. „Die gesamte Defensivarbeit ist ein Hauptpunkt, den wir uns auf die Fahne geschrieben haben“, erklärte Bierhoff zur Aufgabenstellung.
Neben den Länderspiel-Debüts von Roman Neustädter im Mittelfeld sowie Außenverteidiger Jung könnte es in der Amsterdam ArenA auch ein bemerkenswertes Comeback geben. Torwart René Adler hofft zwei Jahre nach seinem letzten Länderspieleinsatz beim 0:0 in Schweden darauf, im Laufe des Spiels für Manuel Neuer zum Einsatz zu kommen.
„Ich bin froh über jede Minute, jede Sekunde“, sagte der 27-Jährige vom HSV, der während seiner langen Verletzungspause sogar an eine Karriereende gedacht hatte. Jetzt will er wieder angreifen, aber ohne laute Töne: „Wir brauchen nicht noch eine Baustelle auf der Torwart-Position aufzumachen. Ich kann mich hier nicht hinstellen und sagen, der Kampf um die Nummer 1 ist eröffnet.“
Die voraussichtliche deutsche Aufstellung:
Neuer - Höwedes, Mertesacker, Hummels, Lahm - Lars Bender, Gündogan - Müller, Götze, Reus - Podolski