Gabriel Wagner zusammen mit seinem Exportgesellen Daniel Niegoda und dem Wandersbruder Benedikt Müller (von rechts) beim Abschiedsfoto Foto: Danner

Zimmermannsgeselle Gabriel Wagner verlässt seinen Heimatort Bergfelden für eine lange Zeit.

Sulz-Bergfelden - Er hat alle in den Arm genommen, seine Lieben geküsst, ist aufs Ortsschild geklettert, heruntergesprungen und losgelaufen. Drei Jahre und einen Tag darf er sich seiner Heimat nun nicht mehr nähern. Gabriel Wagner ist auf der Walz.

Mit einem kleinen Fest haben Familie und Freunde des Zimmermannsgesellen sich von ihm verabschiedet. Der war derweil mit seinem Exportgesellen damit beschäftigt, seinen "Charly" zu packen. Der Exportgeselle ist ebenfalls ein Mitglied des Rolandschachts, so nennt sich die Zunft der reisenden Bauhandwerker. Daniel Niesgoda kommt aus Dresden, ist Steinmetz und schon seit mehr als zwei Jahren unterwegs. Er ist nach Bergfelden gekommen, um den Frischling abzuholen und wird ihn in den ersten Wochen begleiten - daher der Name Exportgeselle. Dabei weist er ihn ins Brauchtum der Rolandsbrüder ein.

Der "Charly" heißt eigentlich Charlottenburger. In dieses Bündel muss Gabriel Wagner alles hineinpacken, womit er in den kommenden Jahren leben wird: die Arbeitskluft, die Unterwäsche, den Schlafsack und das Werkzeug. Das will gut durchdacht und verschnürt sein und dauert natürlich eine Weile. Währenddessen sitzen seine Lieben gemütlich beim Frühstück in der Wagner’schen Scheune und warten auf den großen Moment. Sein jüngerer Bruder hat sich in Schale geworfen. Auch er ist seit Kurzem in der Ausbildung zum Zimmermann und hat seine Kluft zur Feier des Tages angelegt.

Gabriel Wagner freut sich auf die Herausforderungen, die nun vor ihm liegen. 23 Jahre ist er alt und hat schon einige Jahre in seinem Beruf gearbeitet. Er ist kein Neuling mehr in seinem Fach und hofft, dass ihm das auf der Walz zugute kommt.

Sein Gewand hat er, wie es sich gehört, in einer Kluftschneiderei anfertigen lassen. Die Perlmuttknöpfe musste er, so will es die Tradition, selbst annähen – mit einem Z-Stich. Der steht für "zünftig".

Exportgeselle Niesgoda hat noch einen weiteren Wandersbruder mit dabei: Benedikt Müller aus Ansbach. Der war gerade in der Nähe und macht sich nun mit den beiden gemeinsam auf den Weg. Dieser führt sie am Abmarschtag erst mal Richtung A 81. Der Campus Galli, die neu entstehende karolingische Klosterstadt in Meßkirch, ist das erste Ziel der Männer.

Denn für die kommenden drei Jahre ist es die letzte Möglichkeit für Gabriel Wagner, sich dieses Bauvorhaben anzusehen. Solange darf er sich seinem Heimatort nicht mehr als auf 60 Kilometer nähern. Dann soll es weiter Richtung Basel gehen. Familie und Freunde möchte er mit Briefen auf dem Laufenden halten. Zwar ist das Handy für Notfälle im Gepäck. Zur Walz gehört aber auch, sich auf die alten Werte zu besinnen, erklärt er. Das Loch für seinen Ohrring hat er sich, standesgemäß, mit einem Nagel durchstechen lassen. Das Zeichen der Ehrbarkeit ist im Rolandschacht übrigens ein blauer Schlips. Exportgeselle Niesgoda trägt ihn bereits, Gabriel Wagner muss ihn sich erst noch verdienen – durch ordentliches Benehmen.

Nun ist es endlich soweit, der Sprung vom Ortsschild ist geglückt, die drei Wandergesellen laufen, ohne sich noch mal umzusehen, davon. Zurück bleiben Familie und Freunde von Gabriel Wagner.

Die Abschiedstränen werden getrocknet. Wenn der junge Wagner nach Bergfelden heimkehrt, da sind sie sich sicher, kommt er als ein fertiger Mann zurück.