Betroffene, nachdenkliche Gesichter bei den Gästen – sich mit Demenz zu befassen, ist schwer, aber nötig. Fotos: Cools Foto: Schwarzwälder-Bote

Veranstaltung: Impulstag Demenz zum Erfahrungsaustausch und zur Verbesserung der Hilfe in Kommunen

Früher war "Oma einfach durch den Wind", mittlerweile gibt es dafür einen Namen, der wie ein Schatten auf der Gesellschaft liegt: Demenz. Wie diese Herausforderung in der Kommune bewältigt werden kann, war Thema beim Impulstag in Sulz.

Sulz. Irgendetwas stimmt im Leben von Walter und Erna W. nicht mehr. Dinge, die früher mühelos gelangen, fallen immer schwerer. Freunde wenden sich ab, weil Walter sie nicht mehr erkennt, der Haussegen hängt schief, Mobilität und Kommunikationsfähigkeit nehmen ab. Es war ein unheimliches Bild, das Sylvia Kern von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg beim Impulstag in Sulz von der Krankheit Demenz zeichnete, doch durchaus ein realistisches – vielleicht ein wenig pointiert, aber exemplarisch.

Kern gewann die Aufmerksamkeit der rund 50 Zuhörer in der Stadthalle nicht durch einen Fachvortrag, sondern über zusammengetragene Erzählungen und Erfahrungen, die mancher vielleicht schon selbst gemacht hatte.

Angehörige einbeziehen

Dass das Thema Demenz künftig mehr Menschen in der Bevölkerung betreffen wird, machte nicht nur Thaddäus Kunzmann, der Demografiebeauftragte des Landes, klar, sondern auch Peter Schmeiduch vom Ministerium für Soziales und Integration.

Rund 200 000 Menschen mit Demenz leben in Baden-Württemberg. Die Krankheit sei einer der häufigsten Gründe für einen Umzug ins Pflegeheim. Doch auch die Angehörigen, die unter den Begleiterscheinungen leiden, dürfe man nicht vergessen, meinte er.

"Früher hieß es einfach, die Oma ist ein bisschen durch den Wind", berichtete Landrat Wolf-Rüdiger Michel. Damals war die Krankheit noch nicht als solche bekannt. Nun ist sie es und droht angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft, künftig häufiger aufzutreten. Dabei sei es wichtig, einige schöne Jahre mit der Verzögerung des Krankheitsverlaufs zu bescheren, "bevor völlige Nacht im Geist ist", meinte Michel. Er wisse, dass Familien daran zerbrechen können, sprach aber auch aus eigener Erfahrung: "Die lichten Momente sind die schönsten". Achtung und Respekt seien wichtig. "Es bleibt ein Verwandter".

Susanne Himbert von der Fachstelle "Demenz und Kommune" stellte das gleichnamige Projekt vor. Von Oktober 2016 bis September 2019 läuft dieses mit dem Ziel, eine Versorgungsstruktur in den Kommunen aufzubauen. In einer Recherche habe sich ergeben, dass es immer noch Kommunen gebe, die keine spezielle Hilfe für Demenzkranke anbieten.

Ein Impulstag wie dieser sei nun einer der Meilensteine auf dem Weg zu einer Verbesserung. Er solle sensibilisieren und Ideen anregen. "Vernetzung ist das Stichwort", meinte Himbert. Finales Ziel sei schließlich ein Infoportal, das bestehende Angebote in den Kommunen des Landes nenne und strukturelle Handlungsempfehlungen biete. Die Unterstützung vor Ort sei einfach wichtig.

Lebenswertes Sein

Am Nachmittag konnten sich die Gäste in Dialog-Foren Anstöße, Ideen und Impulse holen. So ging es einmal um das "Leben im Quartier" mit dem Beispiel einer selbst verantworteten Wohngemeinschaft in Kiebingen (Rottenburg). Bei den "Demenz-Netzwerken" stand vor allem die Kooperation auf dem Plan. Unter der Rubrik "Teilhabe und Lebensqualität" wurden Modellprojekte für mehr Lebensqualität vorgestellt und erklärt, wie eine Bündelung der Aktivitäten möglich ist. Die Foren gaben mit einem Podiumsgespräch aus Fachleuten und Angehörigen einen Hinweis darauf, was gebraucht wird, und einen Ausblick auf ein Leben mit neuen Möglichkeiten.

Und so konnte Kern am Ende der Veranstaltung einen ganz anderen Walter W. präsentieren, einen, der nicht geheilt war, aber dessen Sein weitaus lebenswerter schien als im ersten Szenario.