Die Teilnehmer der Videokonferenz sind übers Internet zugeschaltet. Foto: Schwarzwälder Bote

Corona-Krise: Randgruppen sind besonders betroffen

Sulz. Randgruppen in der Corona-Krise: Das war das Thema der gestrigen Videokonferenz, zu der die Moderatoren Hans-Ulrich Händel, Beauftragter für Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung, und Silvia Gmelin von der Aktionsgemeinschaft Gieb, Gesprächspartner eingeladen hatten. Welche Schwierigkeiten haben Menschen mit Handicap in der aktuellen Situation?

Gerold Knispel zeigte die Probleme am Beispiel seiner an Demenz erkrankten Mutter auf. Sie befindet sich im Pflegeheim und darf wegen der Kontaktsperre keine Besuche mehr empfangen. Telefonieren geht nicht mehr. Seine Mutter brauche die Nähe von vertrauten Menschen. Wenn man ein altes Lied singe, werde sie fröhlich. Besonders aber leide ihr Mann darunter, sie nicht mehr sehen zu dürfen. Die Kinder müssten ihn psychisch aufrichten. Für Knispel ist es unverständlich, dass Menschen in Heimen abgeriegelt werden. Es müsse möglich sein, dass wenigstens ein Familienmitglied Zugang erhalte.

Technische Hilfsmittel könnten, so Ute Hauser, Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg, Kontakte mit Heimbewohnern herstellen, beispielsweise über Tablets oder auch Videoschaltungen. Ein Gemeinschaftsgefühl wecke auch Musik oder Gottesdienste draußen auf dem Hof.

Der direkte Kontakt, die Chorprobe oder auch die Wirtschaft fehlten den älteren Menschen, meinte Matthias Kohlhase vom Kreisseniorenrat Rottweil. Auch hätten sie Angst, sich mit Maske zu bewegen. Ältere sagten zudem Arzttermine ab: "Dadurch bringen wir uns in Gefahr." Ein großes Problem sieht er bei den Menschen, die allein in kleinen Wohnungen lebten und möglicherweise sich schämten, Hilfe anzunehmen. Sie müssten besonders angesprochen werden.

Für Sabine Ludi aus Sulz, von Geburt an blind, ist das Internet eine große Hilfe. Sie ist aber auch Mitglied der Gruppe "Telefonieren gegen die Einsamkeit". Derzeit kommuniziert sie wechselseitig telefonisch mit zwei Menschen. "Ich höre zu und schenke ihnen Zeit", erklärte sie. Ihr zweites Projekt ist eine Skype-Gruppe mit Teilnehmern, die gern zuhören, singen oder musizieren. Über Skype nehmen sie Kontakt mit Bewohnern der Stiftung Heiligenbronn auf. "Jeder darf dazu kommen", warb sie um weitere Mitglieder.

Ben Gutwein sprach für Taubblinde. Eine Dolmetscherin übersetzte die Gebärdensprache in Worte. Eine Besserung habe das neue Teilhabegesetz gebracht, bestätigte er.

Politikern wie dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann werde bei Fernsehauftritten ein Dolmetscher an die Seite gestellt. Weil er nicht fernsehen könne, nutze ihm das allerdings nicht. Er bräuchte die Unterstützung von Taubblindenassistenten. Das ist derzeit schwierig: Mit der Corona-Pandemie kehre die Isolation zurück.

Es muss nicht immer das Internet sein. Auch altmodisches Telefonieren ist für ältere Menschen eine Hilfe. Sabrina Haller berichtete, dass die Diakonie eine Telefonkette in den nächsten zwei Wochen aufbauen werde. Wer hier mitmachen will, kann sich bei der Diakonischen Bezirksstelle oder in der Stadtverwaltung bei Ulrich Händel melden.

Birgit Stiehle vom HGV wird in ihrem Geschäft immer wieder auf Corona angesprochen. Die Älteren wüssten es zu schätzen, dass sie mit Hilfe aus der Nachbarschaft rechnen könnten.