Frank Börnard betreibt einen offenen Bücherschrank am Spazierweg des Neckarufers
Von Marcella Danner
Sulz. Novellen von Guy de Maupassant, Tipps zum Abnehmen oder Rezepte für Liköre – im Bücherschrank von Frank Börnard gibt’s nichts, was es nicht gibt. Das Besondere daran – er ist öffentlich zugänglich.
Frank Börnard und seine Frau lesen gerne und viel. Im Laufe der Jahre kommt da einiges an Literatur zusammen. Als irgendwann mal die Bücherregale ausgingen, machte sich das Paar auf zu Flohmärkten. Doch mitten in der Nacht aufzustehen, die schweren Kisten ins Auto zu schleppen und am Abend gerade mal die Standgebühr erwirtschaftet zu haben, war irgendwann keine Option mehr für die Börnards.
Im Urlaub im Allgau kam die zündende Idee. Auf einem Zeltplatz stand eine alte Telefonzelle, in der die Camper ihre entbehrbaren Bücher und Zeitschriften einstellten und sich andere dafür herausholten. Dieses Tauschprinzip nahm Börnard mit nach Sulz. An der Rückseite seines Garage in der Berliner Straße montierte er einen kleinen Küchenschrank direkt am Spazierweg des Neckarufers.
Das ist jetzt fünf Jahre her. Vergangene Woche hat er sogar einen Neuen aufgehängt – liebevoll selbst gebaut und – korrespondierend zum Gartenhäuschen – blau gestrichen.
Der Leiter der Sulzer Bürgerarbeitskreises hat damit eine Idee in der Neckarstadt umgesetzt, die vor 25 Jahren als Kunstprojekt entstand und sich weltweit ausbreitete – bis nach Sulz eben. Mittlerweile hat er schon Stammleser. Sie schauen regelmäßig nach, was es Neues im Schränkchen gibt _ ein Schwatz über den Gartenzaun ist manchmal eingeschlossen. "Die Leute bedanken sich regelmäßig bei mir."
Das Prinzip eines offenen Bücherschranks ist ganz einfach. Wer seine gelesenen Bücher weitergeben möchte, der stellt sie einfach ein. Wer Lust auf neues Leserfutter hat, der greift zu. Es sind auch jene willkommen, die zuvor nichts selbst hineingestellt haben. Der Schrank ist sogar auf Wikipedia gelistet.
Mittlerweile hat Frank Börnard Bücher im Haus gelagert, weil nicht alle hineinpassen. Was nicht weggeht, tauscht er konsequent aus. Am schnellsten ist die Trivialliteratur vergriffen. Gerade zur Ferienszeit lechzten sich die Menschen nach einer leichten Urlaubslektüre, weiß er inzwischen. Als er den neuen, noch leeren Schrank aufgehängt hatte, dauerte es nicht lange, und er hatte sich wieder gefüllt. Das freut den Journalisten natürlich, bestärkt ihn in seinem Tun. Und jetzt, wo die Stadtbücherei geschlossen ist, ist Börnards offener Bücherschrank eine Quelle für alle Leseratten.
Also Augen auf beim nächsten Spaziergang am Neckarufer. Womöglich steht das neue Lieblingsbuch im Schränkchen. Frank Börnard sieht selbst regelmäßig nach und hat sich schon die eine oder andere Lektüre aus dem Fundus geholt.
Weitere Informationen: frank.boernard.de/der-private/buechertausch-am-neckarufer