Landwirtschaft: Pächter des Oberhofs hört auf / Musikverein Glatt lädt zu seiner Veranstaltung am 1. Mai ein
Der Musikverein Glatt sagt "Arrivederci Hans". Die Musiker veranstalten am 1. Mai zum letzten Mal ein Fest auf dem Oberhof von Hans Rapp.
Sulz-Glatt. "Ich dachte, ich erlebe noch das 100-Jährige", sagt der Landwirt. Er hat den Hof in vierter Generation. Sein Urgroßvater Johann Baptist hatte die fürstliche Domäne zwischen Glatt und Priorberg 1926 als Pächter übernommen.
Der Pachtvertrag läuft aus und wird nicht mehr verlängert. Rapp bekam von der fürstlichen Verwaltung in Sigmaringen die Auskunft, dass in das Anwesen kein Geld reingesteckt werden könne. Der Oberhof soll nun verkauft werden.
Das Problem ist, dass der Hof nicht an das Abwasser angeschlossen ist. Das Landratsamt wolle das nicht mehr dulden. Der Anschluss würde, so Rapp, nach den Kostenermittlungen eines Ingenieurbüros 140 000 Euro kosten. Hinzu kommt, dass das alte Wohnhaus und der Stall unter Denkmalschutz stehen. Beide Gebäude sind renovierungsbedürftig. Sie zu sanieren, koste "Geld ohne Ende", erklärt der 71-Jährige. Die Hofstelle muss er am 31. Oktober verlassen.
Der Hof, der verschiedene Namen hatte, besteht seit etwa 1320. Er war zunächst Besitz der Neunecker in Glatt, ging dann an die Freiherrn von Landsee und schließlich an das Kloster Muri über. Seit 1731 wird der Herrschaftshof auf dem Berg Oberhof oder Glatter Hof genannt – zur Unterscheidung vom herrschaftlichen Unterhof in der Remise des Wasserschlosses.
Am 11. Juli 1800 brannte das Wohnhaus des Verwalters bis auf die Grundmauern ab. Die Herrschaft Muri baute das Maierhaus wieder auf, aber schon drei Jahre später ging der Hof mitsamt dem Glatter Schloss an den Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen.
Rapps Urgroßvater zog, 55-jährig, mit seinen vier Söhnen 1926 auf den Oberhof als neuer Domänenpächter. Er bewirtschaftete zuvor den Hauserhof bei Hechingen. Johann Rapp erkannte, dass sich die waldgeschützte Hochlage des Oberhofs gut für Getreide- und Obstanbau eignete. Er erneuerte den Kirschen- und übrigen Obstbestand.
Auf dem Oberhof wurde Ackerbau, Schweinehaltung und Viehzucht betrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Schafhaltung dazu: Bis zu 700 Tiere weideten auf den Wiesen. Ende der 1950er-Jahre wurde die Schafhaltung aufgegeben. Es rentierte sich nicht mehr, erzählt Hans Rapp. Der Schafstall wurde zum Viehstall, der Pferdestall zum Kälberstall umgebaut.
Wurst bis nach China
Der heutige Inhaber hat als gelernter Landwirt den Oberhof 1986 übernommen. Er bewirtschaftet etwa 110 Hektar Ackerfläche und hält 40 Milchkühe. Die Schweine dienen dem eigenen Bedarf.
1990 begann Hans Rapp als einer der ersten Landwirte in der Region mit der Direktvermarktung und eröffnete den Hofladen. "Der spinnt", habe man damals gesagt, erinnert sich Rapp. 1992 fand das erste Hoffest statt. Seither floriere der Hofladen, jede Woche sei neue Kundschaft hinzu gekommen. Frisches Fleisch gibt es auf Bestellung. Dosenwurst, Nudeln, Eier und der Schnaps aus der eigenen Brennerei stehen in den Regalen des Ladens. Die Kundschaft kommt aus der nahen und weiteren Umgebung, die bis nach Stuttgart reicht. "Meine Wurst geht sogar bis nach China", sagt Rapp. Der Hofladen ist mittlerweile zum wichtigsten Standbein geworden.
"Wo soll ich nur meine Wurst holen?", klagte jüngst eine treue Kundin. Johannes Rapp wird den Hofladen nicht aufgeben, sondern bei seinem Ferienhaus auf dem Priorberg wieder eröffnen. Dort will er auch künftig wohnen.
Aber jetzt gibt es nochmals ein großes Hoffest: Der Musikverein Glatt will sich am 1. Mai von Hans Rapp verabschieden. 1994 veranstalteten die Musiker das erste Maifest auf dem Oberhof, von 1998 an dann immer alle zwei Jahre. Die Maiwanderer, Radfahrer und Ausflügler kamen auch bei schlechtem Wetter in Scharen.
Das nächste Fest am 1. Mai könnte etwas größer werden. "Wir wollen Hans danke sagen", erklärt Vorsitzender Christian Günthner. Dass der Musikverein Glatt sein 1. Mai-Fest auf dem Oberhof veranstalten durfte, sei ein Glücksfall gewesen.
Beginn der Veranstaltung ist um 10 Uhr. Vormittags spielt der Musikverein Hopfau, nachmittags ab 14 Uhr sorgen die "Polkas Seven" aus dem Raum Schramberg für Stimmung.