Heimatgeschichte: Einmarsch der Franzosen in Sigmarswangen

Sulz-Sigmarswangen. Leser erinnern sich an das Jahr 1945. Richard Seeger, geboren am 29. März 1930 in Sulz, schildert seine Erinnerungen:

Schon am 19. April 1945 nahmen französische Truppen Sulz ein. Die Waldhornbrücke konnte von ein paar mutigen Männern von der Panzersperre befreit werden, dagegen wurde die obere Brücke trotz vieler Proteste gesprengt und die naheliegenden Gebäude wurden bald mehr mitgenommen als die Brücke.

Französische Artillerie baute ihre Geschütze am Abend des 19. April an der Hundedressur auf

Auch in Sigmarswangen herrschte große Angst um einen Familienvater mit Kleinkind. Die französische Artillerie baute ihre Geschütze am Abend des 19. April an der Hundedressur auf – gegen Sigmarswangen. Der Familienvater kam zu nahe an die Stellung und konnte sich gerade noch hinter einem Heuoder Strohhaufen verstecken, als er Schüsse bemerkte. So musste er auf die Dunkelheit warten und die Angst wuchs zusehends bis beide das rettende Dorf erreichten. Auch bei uns an der Haustür suchte eine uns bekannte Sulzerin Einlass zu gewähren. Frau Schlotz kam mit dem Fahrrad vom Oberland und konnte ihren Heimatort nicht mehr erreichen.

Wir freuten uns, ihr ein dürftiges Nachtlager zu gewähren. Die Spannung war unendlich groß, was der neue Tag bringen mag. Am nächsten Morgen kam Artilleriefeuer auf die Gemeinde Sigmarswangen. Dann wurde vom Kirchturm die weiße Fahne gehisst, aber das Feuer wurde nicht eingestellt.

Wie durch ein Wunder wurde kein Menschenleben beklagt. Neben der Kirche wurde ein Dachstuhl beschädigt, und auch die Kirche bekam einige Splitter durch das Dach und sogar durch die Holzdecke der Kirche ab. Man könnte fast meinen, der Herrgott hätte die Kirche vor Schlimmerem bewahrt, denn auch eine weiße Fahne brachte nicht die Einstellung der Geschosse.

Eine einzige Sekunde hat dem Bruder von Richard Seeger damals das Leben gerettet

Dann, um 11.30 Uhr, sah man die Staubkolone von Panzer und Panzerfahrzeugen das Kalksträßchen kommen. und mein Vater trat aus dem Haus. Von überall kam der Ruf "Nix deutscher Soldat". Misstrauen war in den Gesichtern zu sehen, und ein Marokkaner rannte in unser Haus mit entsicherter MP auf die Bühne, wo mein Bruder gerade noch die obere Lochleiter von der Spitzbühne herunterkam und den Stahlhelm des Schützens sehen konnte. Diese Sekunde hat sein Leben gerettet.

Wir waren dann an Frau Schlotz froh, denn Sie sprach gut Französisch und bekam sogar die Genehmigung, nach Sulz zu gehen, wo sie auch gut ankam.

Einige der französischen Besatzer tranken auf einer Steintreppe Moschtschorle

Zwei deutsche Soldaten waren auf Heimaturlaub und hatten ganz verschiedene Ansichten – der eine verbrannte seine Uniform und der andere stellte sich in seiner Uniform den Siegermächten, nahm Platz auf einem Kettenfahrzeug neben dem Führerbild und fuhr so in die Gefangenschaft nach Frankreich.

Er blieb dann später in Frankreich und verheiratete sich dort.

Viele Kriegsfahrzeuge machten noch einen Halt im Weilertal, wo der heutige Friedhof ist. Und manch einer der Soldaten hatte einen Stahlhelm voll Milch gefüllt, denn es war ein sonniger warmer Frühlingstag.

Andere Besatzer tranken auf einer Steintreppe Mostschorle, aber einige kritisierten die Hilfsbereitschaft gegenüber den Besatzern, erinnert sich Richard Seeger.

Das einschneidende Erlebnis für die Menschen in Deutsch-land im vergangenen Jahr-hundert war der Zweite Welt-krieg. Nun jährt sich sein Ende zum 75. Mal. Die Zeitzeugen, die diese Tage im Frühjahr 1945 in Rottweil und Umge-bung erlebt und überlebt ha-ben, werden weniger. Doch sie haben sicher darüber ir-gendwann im Familien- und Freundeskreis gesprochen oder das Damals zu Papier ge-bracht. Gerne dürfen Sie uns Zeitzeugenberichte zur Ver-öffentlichung zur Verfügung stellen. Sie können diese uns, auch Fotos, per E-Mail senden an: redaktionrottweil@schwarzwaelder-bote.de