Auf dem noch freien Grundstück gegenüber dem Backsteingebäude soll das Kinderhaus gebaut werden. Foto: Steinmetz

Initiative bittet um Fortsetzung der evangelischen Kindergartenarbeit. Klare Mehrheit für Alternative.

Sulz - Der Gemeinderat hat sich gestern Abend für den Neubau eines viergruppigen Kinderhauses in den Neckarwiesen ausgesprochen. Damit wird die Sanierung und Erweiterung des evangelischen Kindergartens nicht mehr weiter verfolgt. Der Kirchengemeinde soll aber ein geistliches Betreuungsrecht eingeräumt werden.

Das Thema stieß auf großes Interesse: Zahlreiche Bürger waren zur Sitzung gekommen. Eine Stellungnahme, unterschrieben von Johanna und Dorothea Schrön, Jörg Dinkelaker und Hans Gühring, lag dem Gemeinderat vor. Die Stadträte sollten sich Gedanken darüber machen, wie die evangelische Kindergartenarbeit erhalten werden könne, sagte Johanna Schrön in der Bürgerfragestunde. In der Stellungnahme geht es vor allem um Bürgerbeteiligung für eine zeitgemäße Kinderbetreuung in der Kernstadt und die Frage, wie die "Qualität der hervorragenden Arbeit im evangelischen Kindergarten auf Dauer gesichert und die vielfältigen Bedürfnisse der Eltern berücksichtigt" werden könnten.

Im ganzen Kirchenbezirk gelte der Sulzer Kindergarten als einer der am besten geführten, sagte Horst Gerster. Wenn der evangelische Kindergarten aufgrund finanzieller Abwägungen aufgegeben werde, würden Generationen von Sulzern dies nicht verstehen. Den christlichen Glauben, mit allen Sinnen zu erleben, "das wollen wir weitergeben", sagte Kindergartenleiterin Beate Roehse.

Bedarf an Kindergartenplätzen gestiegen

Bürgermeister Gerd Hieber verwies auf einen fünfjährigen Prozess bei den Überlegungen zur Sanierung des evangelischen Kindergartens. Es gehe nicht darum, diesen in Frage zu stellen, versicherte er. Aber man müsse sich strategisch ausrichten. Vor fünf Jahren sei man noch von einem zweigruppigen Kindergarten ausgegangen, inzwischen habe man aber einen deutlichen Kinderzuwachs. "Wir haben in der Kernstadt den Bedarf für eine viergruppige Einrichtung", stellte er fest. Es sei angedacht gewesen, mit der evangelischen Kirchengemeinde diesen Weg zu gehen. Doch diese könne aufgrund ihrer Vorgaben lediglich zwei Gruppen betreiben. Das sei die Crux. Hieber: "Wir brauchen eine tragfähige Lösung für die Zukunft."

Wie bereits berichtet und jetzt auch nochmals in der Verwaltungsvorlage dargestellt, ist wegen Unterfinanzierung aufgrund von Kostensteigerungen die Kindergartensanierung im Haushaltsplan mit einem Sperrvermerk versehen worden. Die evangelische Kirchengemeinde hatte zuletzt am 23. Februar der Stadt mitgeteilt, dass sie an einem Kostendeckel von 200.000 Euro festhält, sich aber an eventuellen Mehrkosten beteiligen werde. Auf den Einbau einer Lüftungsanlage könne aus Haftungsgründe nicht verzichtet werden.

Als Alternative ist mittlerweile ein zweigeschossiger Kindergartenneubau mit Aufzug auf einem Grundstück gegenüber dem Backsteingebäude geprüft und nichtöffentlich vorberaten worden. Damit könnte dem Platzbedarf in der Talstadt sowohl für Kinder über als auch unter drei Jahren Rechnung getragen werden. Tina Ziegler, in der Verwaltung für Schulen und Kindergärten zuständig, teilte mit, dass die Gesamtkosten des Neubaus für vier Gruppen bei 1,97 Millionen Euro liegen. 1,3 Millionen müsste die Stadt nach Abzug der Zuschüsse selber aufbringen.

Neubau ist 281.000 Euro teurer als Sanierung

Die Sanierung und Erweiterung des evangelischen Kindergartens käme auf knapp 1,9 Millionen Euro. Der Eigenanteil der Stadt für die Kindergartensanierung- und Erweiterung sowie einer weiteren Gruppe im Kindergarten Kastell betrüge hier rund eine Million Euro. Damit wäre der Neubau des Kinderhauses um etwa 281.000 Euro teurer. Der Vorteil dabei: Die Einrichtung befände sich in städtischen Eigentum.

Tina Ziegler listete noch weitere Pluspunkte für den Neubau auf. So könnten die Kinder durchgängig ab dem ersten Jahr bis zum Ende der Kindergartenzeit im Haus betreut werden. Die Besuchszeiten ließen sich flexibler gestalten, so wäre eine Ganztagsbetreuung denkbar. Auch personelle Vorteile brächte eine größere Einrichtung mit sich. Bei weiterem Platzbedarf wäre in den Neckarwiesen außerdem noch eine Erweiterung möglich.

Fraktionsvorsitzender Klaus Schätzle beantragte für die SPD einen dreimonatigen Aufschub der Entscheidung, um zusammen mit den Bürgern ein pädagogisches Konzept für den Kindergarten zu erarbeiten. Er zeigte sich von der Stellungnahme der Initiative stark beeindruckt.

Hieber verwies darauf, dass Handlungsdruck da sei. Das "Moratorium" würde das Projekt um ein Haushaltsjahr verzögern. Die Entwicklung eines Konzepts könne parallel laufen. Dafür habe man auch noch Zeit. "Die Sachargumente liegen auf der Seite der Verwaltung", meinte Tobias Nübel (CDU). Wichtig sei, dass die Kirche mit einbezogen werde. Karl Mutschler (SPD) fand allerdings, dass zwischen einer Trägerschaft und einem Betreuungsrecht ein Unterschied bestehe.

Dekan weiterhin gesprächsbereit

Heidi Kuhring (GAL) hatte keine Problem damit, gleich zu entscheiden. Die Einbeziehung von Eltern und Erzieherinnen bei der Planung sei für sie selbstverständlich. Über die inhaltliche Arbeit könne getrennt geredet werden. "Ich sehe eine große Chance in einem Neubau, der nach neuesten pädagogischen Erfordernissen geplant wird", erklärte sie. Bei einem Altbau müsse man Kompromisse finden. Dominique Steng (FWV) mahnte, keine Zeit zu verlieren. "Wir müssen auch aufpassen, dass die städtischen Kindergärten nicht diskreditiert werden", fügte er hinzu.

Robert Trautwein warnte ebenfalls davor, einen Keil zwischen kirchliche und städtische Kindergartenarbeit zu treiben. Zudem müsse man die finanzielle Seite sehen. Der Neubau koste zwar mehr, dafür habe man aber einen Mehrwert. Gabriele Brucker (GAL) sah dies ähnlich. Sie ist überzeugt, dass ein Konsens gefunden werden kann, "wenn die Menschen mitgenommen werden".

Dekan Ulrich Vallon signalisierte weiterhin Gesprächsbereitschaft. Er kündigte an, dass die evangelische Kirchengemeinde das geistliche Betreuungsrecht in einem Neubau beantragen werde.

Für das von der SPD vorgeschlagene dreimonatige Moratorium votierten lediglich Schätzle, Mutschler und Herbert Kehl (FWV). Beschlossen wurde, bei zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung, ein Kinderhaus in den Neckarwiesen zu planen. Bei der Realisierung soll das geistliche Betreuungsrecht der Verbundkirchengemeinde Sulz/Holzhausen angeboten werden. Einstimmig in den Beschluss mit aufgenommen wurde die Anregung von Dominique Steng, zusammen mit Bürgern eine Kindergartenkonzeption auf den Weg zu bringen.