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Apotheken klagen über massive Lieferengpässe bei Medikamenten

Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Antidepressiva: Immer wieder kommt es zu Lieferengpässen bei wichtigen Arzneimitteln. Auch in Sulz, Vöhringen und Dornhan stehen die Apotheken täglich vor neuen Herausforderungen.

 

Sulz/Vöhringen/Dornhan. Engpässe bei Medikamenten: Eine am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Änderung des Arzneimittelgesetzes soll die Situation in Zukunft entschärfen. Nun hat auch die Politik erkannt, dass die Zustände untragbar sind – für Patienten, Apotheker und Ärzte.

Von einer dramatischen Situation sprechen die Apotheker in Sulz, Vöhringen und Dornhan. "Wir haben jede Menge Lieferengpässe, sogar bei Standard-Präparaten und Schmerzmitteln", sagt Andreas Birke, der die Linda-Apotheke am Neckar leitet. Vor Kurzem habe es große Lieferprobleme bei einem Antidepressivum gegeben, betroffen seien aber auch Blutdruck- und Schilddrüsen-Medikamente.

Birkes Strategie: Er bevorratet sich stark. "Es ist ein finanzieller Aufwand für mich, und ich entziehe damit dem Rest die Medikamente. Das ist mir schon bewusst, aber ich denke in erster Linie an meine Kunden", betont er.

Die Ursache für die Lieferengpässe sieht Birke im Preisdruck. Er ist überzeugt, dass sich auch die aktuelle Situation in China rund um das Corona-Virus noch negativ auswirken wird. Denn: "In China werden viele Wirkstoffe für den Markt hergestellt, die in Deutschland dann zu Tabletten gepresst werden."

Birke berichtet, er müsse angesichts der Situation ab und zu in Absprache mit dem Arzt die Dosis ändern. "Wenn auch das nicht möglich ist, muss der Arzt nach alternativen Wirkstoffen suchen und ein neues Rezept verordnen", erklärt er die Vorgehensweise.

Die meisten Kunden seien durch die Berichterstattung in den Medien über Lieferengpässe informiert, stellt der Sulzer Apotheker fest. "Früher wollten viele ein Medikament nur von einer bestimmten Firma haben. Heute sind sie froh, wenn sie überhaupt ein Medikament bekommen", macht er deutlich.

Schwieriger Spagat

Eine ähnliche Erfahrung hat auch Sven Gerster von der Apotheke am Rathaus gemacht. "Viele Kunden sind informiert und dadurch sehr skeptisch", sagt er. Gerster und seine Mitarbeiter seien inzwischen keine Arzneimittel-Ausgeber, sondern vielmehr "Problemlöser". " Jeden Tag haben wir eine neue Herausforderung. Es ist ein bisschen frustrierend", meint Gerster.

Sein Team habe täglich die Aufgabe, den Spagat zu meistern zwischen dem, was der Kunde braucht, was "der Krankenkasse noch gefällt" und dem, was vorrätig oder lieferbar ist. "Man bestellt doppelt oder dreifach und bleibt dann auf Kosten sitzen", schildert Gerster. Aber nicht nur das: Die zum Teil verzweifelte Suche nach lieferbaren Präparaten kostet jede Menge Zeit. "Man muss täglich mindestens eine Stunde dazurechnen", sagt der Apotheker.

Ab und zu, berichtet Gerster, ruft er seine Kollegen an – bis nach Horb und Oberndorf, um die Kunden dort hinzuschicken, wo Medikamente eventuell noch vorrätig sind.

Rücksprache mit Ärzten

Das Problem kennt man auch in der Stadt-Apotheke Dornhan. "Blutdruck-, Magenmittel, Psychopharmaka, aber auch Standard-Sachen fehlen", schildert Inhaberin Christina Braun. Hunderte Positionen seien derzeit nicht lieferbar.

"Die Kunden sind verärgert. Das ist klar. Aber uns sind die Hände gebunden", erklärt sie. Ihre Mitarbeiter versuchen, nicht nur im Großhandel, sondern auch direkt bei den Herstellerfirmen zu bestellen. "Wir müssen permanent telefonische Rücksprache halten. Wir reservieren vor und sind inzwischen auch mit kleineren Packungsgrößen zufrieden", schildert Braun.

Reservierungen bedeuten aber nur, dass die Apotheke das Medikament bekommt, sobald es lieferbar ist. "Manche Reservierungen laufen schon seit einem Vierteljahr. Es ist wirklich ein Glücksspiel", meint Braun.

Oft sei in solchen Fällen Kontakt zum Arzt notwendig, damit dieser die Dosierung anpasst. Manche Patienten müssten komplett auf andere Medikamente umstellen. "Die Ärzte wissen auch um das Problem. Wir sitzen alle im gleichen Boot", sagt die Apothekerin.

"Über die Gründe werden wir im Unklaren gehalten. Ich finde, es geht ums Geld", sagt sie. Man versuche, möglichst günstig zu produzieren – nicht selten auch in Asien. Dass es mit der aktuellen Situation in China und dem Corona-Virus zusammenhängt, glaubt Braun allerdings nicht. "Das Problem besteht ja schon lange."

Frustrierte Kunden

Betroffen von den Lieferengpässen ist auch die Apotheke in Vöhringen. "Man steht fassungslos davor. Manchmal hat man Glück, manchmal eben nicht", sagt Inhaber Ronald Schmidtke.

Auch er hat wie seine Kollegen das Gefühl, dass das Problem in den vergangenen Monaten zugenommen hat. "Kunden rufen mittlerweile in der Apotheke an, um Medikamente zu reservieren." Gelegentlich komme es vor, dass er Kunden wegschicken müsse. Viele seien dementsprechend frustriert, weiß Schmidtke.

"Ich versuche, mehr zu bestellen, um einen Vorrat aufzubauen", erklärt er. Nichtsdestotrotz rät er in erster Linie den Kunden, die chronische Erkrankungen haben, das Rezept nicht allzu lange liegen zu lassen. "In der jetzigen Zeit ist es ratsam, eher zwei Wochen früher als zwei Wochen später das Arzneimittel zu holen", macht er klar.