Foto: Norbert Liesz, Augsburg Foto: Schwarzwälder Bote

Wasserschloss Glatt: / Tonfiguren heute begehrte Sammlerstücke / Teil 7

Bis Anfang Februar zeigt der Landkreis Rottweil in Verbindung mit der Stadt Sulz und dem Glatter Bürger- und Kulturverein im Kultur- und Museumszentrum Schloss Glatt die Ausstellung "Weihnachtsbräuche und Weihnachtskunst im schwäbischen Raum".

Sulz-Glatt. Die im Fürstensaal des Wasserschlosses Glatt ausgestellte Eckkrippe aus Rot an der Rot, die als geschlossenes Ensemble in Augsburger Privatbesitz erhalten geblieben ist, spiegelt mit ihren hochwertigen Terrakotta-Figuren das Erscheinungsbild einer oberschwäbischen Hauskrippe aus der Zeit um 1930 wider. In der Substanz ist die ehemalige Hauskrippe der Familie Gleinser allerdings um gut eine Generation älter. Damals waren die Tonfiguren der Familie Sohn noch als Handelsware erhältlich; heute sind sie begehrte Sammlerstücke.

Im "Herrgottswinkel"

Traditionell stellte man im schwäbischen Raum offene Krippen in der Stubenecke im "Herrgottswinkel" auf. Bei der Eckkrippe der Familie Gleinser sind an den Rückseiten der Seitenbegrenzungen Leisten zum Einstecken von Tannen- oder Eibenzweigen angebracht. Ein anschraubbares Brettsegment an der Vorderseite deutet auf eine spätere Erweiterung hin. Auf einem historischen Foto glaubt man im Vordergrund einen geschmückten Christbaum zu erkennen; dies wäre eine im Oberland erst allmählich in Mode kommende Neuerung in der Festkultur. Wie der Christbaum, so greift auch der den Krippenbezirk abschließende Zaun die Symbolik des Paradiesgärtleins auf.

Der Figurenfundus der Gleinser-Krippe ist typisch für eine schwäbische Hauskrippe aus dieser Zeit. Die Familie Sohn stellte vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert qualitätvolle Terrakotta-Figuren her. Begründet wurde die Produktion in Kümmerazhofen bei Bad Waldsee durch Franz Josef Sohn. Zum bedeutendsten Vertreter wurde der Maler Anton Sohn, der sich in Zizenhausen bei Stockach niedergelassen hatte. Die Kleinplastiken des "Bildermanns von Zizenhausen" entwickelten sich zu einem nachgefragten Markenprodukt. Die Terrakotta-Figuren entstammen ebenso wie das schlichte Stallgebäude der Eckkrippe der heimischen Vorstellungswelt. Nur bei den Heiligen Drei Königen und ihrem Gefolge kommt eine dezente Exotik ins Spiel.

Wie sehr man an einem solchen Familienschatz hängen kann, zeigt die Tatsache, dass die letzte Besitzerin, die auf dem Familienfoto noch als Mädchen erscheint, 1991 notgedrungen erst einen Teilbestand der Figuren an einen Krippenfreund veräußerte und sich erst acht Jahre später, als sie in ein Altersheim zog, von den Hauptfiguren samt dem Krippenberg trennte. ■Die Weihnachtsaustellung im Schloss Glatt ist bis zum 4. Februar freitags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen.

Sulz-Glatt. Wenn es in Rottweil um historische Weihnachtskrippen geht, denken die meisten an die Herrenkramer’sche Krippe aus der späten Reichsstadtzeit, die im Stadtmuseum gezeigt und als Spielkrippe bis heute "lebig" gemacht wird. Sie war eine von zahlreichen Rottweiler Hauskrippen, die im 19. Jahrhundert besucht und bespielt wurden. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gässle der Stadt eine solche Krippe gab.

Die Kastenkrippe in der Weihnachtsausstellung in Glatt ist 2001 durch Kauf ins Stadtmuseum gelangt. Sie stammt aus dem Vorbesitz der Rottweiler Familie Kramer, woraus sich eine gewisse Nähe zu Franz Joseph Kramer (1813-1873), dem "Herrenkramer", ergibt. Man mag an Zusammenhänge denken, die auf das Rottweiler Jesuitenkolleg zurückverweisen. Möglicherweise handelt es sich im Kern um die Krippe, die 1835 von der Witwe von Drehersmüller Jakob Liebermann in der Zeitung ausgeschrieben wurde. 1875 erscheint diese Krippe im Besitz von Schuhmacher Anton Kramer, der damals zu ihrer Besichtigung eingeladen hat.

Die Krippe ist in einem schwarz lackierten, von innen blau tapezierten Gehäuse aus Holz untergebracht. Im Innern erweist sich das Ganze als in zwei Ebenen geteilt. Oben ist offenbar die Stadt Rottweil mit dem Kapellenturm zu sehen und in der rechten oberen Ecke ein schlossartiges Gebäude. Von der Stadtsilhouette führt ein Weg talwärts. Links ist die Klause eines Einsiedlers zu erkennen, rechts in einer Schlucht ein Haus – vielleicht eine Mühle. Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass hier Gestaltungselemente auftauchen, die auch in der Herrenkramer’schen Krippe ihren Platz haben. Berücksichtigt man die Tonfiguren – wie Hirten, Landleute und Vieh –, so ist die Entstehung der Krippe in den Rottweiler Lebensjahren von Franz Joseph Kramer anzunehmen.

Älterer Figurenbestand ist auf der unteren Ebene der Kastenkrippe anzutreffen. Hier fallen dem Betrachter vor allem Maria mit Josef und dem Jesuskind sowie die Heiligen Drei Könige auf – alle prächtig nach barocker Art gekleidet. In den gleichen Zusammenhang gehört ein Verkündigungsengel, der oben auf die Stadt Rottweil zuschwebt. Anscheinend standen dem Krippenbauer Teile einer Barockkrippe zur Verfügung, die aus Säkularisationsgut stammten.  Die Weihnachtsaustellung im Wasserschloss Glatt ist bis zum 4. Februar freitags bis sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr zu besichtigen.

In der Ausstellung "Weihnachtsbräuche und Weihnachtskunst im schwäbischen Raum" sind rund 100 Zeugnisse aus über 500 Jahren weihnachtlicher Festkultur. Die Kunstwerke und Objekte, Manuskripte und Druckschriften stammen aus Archiven, Bibliotheken und Museen, von Kirchen und Gemeinden sowie aus privaten Sammlungen in Baden-Württemberg und Bayerisch-Schwaben. In einer zehnteiligen Artikelserie werden bedeutende Exponate der Weihnachtsausstellung in Wort und Bild vorgestellt.