Waltraud Hopf beschenkt sich selbst und einige Freundinnen mit dem Vortrag einer Erzählerin

Von Bodo Schnekenburger

Sulz. Trübe Novembertage? Es kommt darauf an was man daraus macht! Zum Beispiel in der Werkstatt die Vorhaben, die sich seit Sommer stapeln, abarbeiten. Oder draußen den Charme solcher Tage entdecken. Oder einen schönen Nachmittag verbringen.

Aus dem Haus im Kappel in Sulz dringt lautes Lachen. Es ist so ein trüber Novembertag, nicht richtig kalt, schon gar nicht warm, nicht verregnet, doch mit kühlem Nieseln, nicht so, kein Herbstwind, den man sich durchs Haar fahren lassen könnte, doch so luftig, dass es ungemütlich ist. Draußen. Drinnen sieht alles ganz anders aus. Wohlig warm empfängt "Kunst und Kalorien", so heißt das Lädchen, das Waltraud und Verena Hopf hier betreiben, den Besucher. Es riecht nach Gebäck, eine Gruppe Frauen unterhält sich angeregt. "Wir haben schon mal angefangen", sagt Waltraud Hopf und bietet Sekt mit Holunderblütensirup an. Der Tisch ist schön dekoriert, getrunken wird aus bunten, goldverzierten Gläsern. Die Stimmung ist gut, wobei der Hauptprogrammpunkt des Treffens noch gar nicht begonnen hat.

Die Protagonistin sitzt am Kopfende des Tisches, heißt Sigrid Maute und kommt aus Zillhausen bei Balingen. Besucher bei verkaufsoffenen Sonntagen in Sulz kennen sie als Märchenerzählerin, und als solche hatte sie auch Waltraud Hopf kennengelernt. Eine Freundin hatte sie auf Sigrid Maute aufmerksam gemacht, ihr förmlich vorgeschwärmt. Weil Waltraud Hopf bei den verkaufsoffenen Sonntagen aber selbst einen Stand hat, gab es zu einem ausführlichen Besuch so einer halben Märchenstunde keine Gelegenheit. Weshalb also nicht selbst zu einer "Märchenstunde" mit Sigrid Maute einladen? Schnell waren sich die Frauen einig: Es muss eine Veranstaltung geben.

Im Frühjahr, da sprach man sich ab, war es noch lange hin bis November, und dass es dann mitunter trist würde, weiß man zwar, hat es aber nicht so präsent. Um so glücklicher war die – so gesehen zufällige – Terminwahl. Wenn im November, dann an so einem Tag wie diesem. Sechs Frauen sind der Einladung zu diesem besonderen Nachmittag gefolgt und amüsieren sich schon mal prächtig. Das Novemberwetter ist hinter der Fensterscheibe in absoluter Bedeutungslosigkeit verschwunden. Man knabbert Süßes oder Salziges in Märchenfigurenform, wer’s deftiger mag greift gerne zum Schmalzbrot, zum Kaffee gibt es Linzertorte – und alles in einer Fülle, dass man meint, gegebenenfalls tagelang damit auskommen zu können. Auch das ist, wenn man so will, ein Brückenschlag zu den Märchen, in denen ja nicht selten eine Notlage geschildert wird, die sich am schönen Ende auflöst, wen der Zauber verfliegt und das Gute mit reichem Lohn zurück lässt.

Aus diesem Schatz weiß Sigrid Maute viel zu erzählen. Knapp 100 Märchen hat sie vortragsreif erarbeitet, seit sie in Nürnberg eine Ausbildung zur Märchenerzählerin absolviert hat. Für manches Märchen habe sie lange gebraucht. Vor allem emotionale Pointen rühren an. Auch die Erzählerin. Es ist ein Prozess, einerseits die Intensität des Vortrags zu bewahren, gleichzeitig eine Distanz zum Text zu finden, die verhindert, dass das Erzählen sich in einem Desaster auflöst.

Für diesen Nachmittag hat sie sich zunächst kurze arabische Märchen ausgesucht, bilderreiche Erzählungen, in denen am Ende die Erkenntnis als Einsicht in gutes Geschick steht. Frauenmärchen, in denen die Männer zunächst nicht so gut wegkommen. Auch ein eher seltenes Stück der Gebrüder Grimm steht auf dem Programm, so eines, das sie selbst lange so anrührte, dass sie es nicht erzählen konnte. Und schließlich Märchen aus dem keltischen Kulturkreis. Die gefallen ihr besonders, gesteht sie, und weil ein Mann mit am Tisch sitzt gibt es als Extra die Männerversion eines schottischen Märchens – die freilich auch die Frauen bestens unterhält.