Über die Auswirkungen der Energiewende auf die Landwirtschaft sprach bei der gestrigen Fachtagung Sabine Englert vom Umweltministerium. Foto: Steinmetz

Doch der Ausbau stagniert. Fachtagung der Landwirte zur Energiewende in Baden-Württemberg.

Sulz - Sind die Landwirte Gewinner oder Verlierer der Energiewende? Die Fachtagung gestern im "Bella Vita" in Sulz sollte unter anderem darauf eine Antwort geben.

Eingeladen hatten dazu der Landesbauernverband und die Kreisbauernverbände Böblingen, Rottweil, Tuttlingen, Tübingen und Zollernalb. "Es geht nicht nur um die Energieproduktion", sagte einführend der Rottweiler Kreisverbandsvorsitzende Manfred Haas. Die Energiewende tangiere die Landwirtschaft auch dadurch, dass Ausgleichsflächen für Versiegelungen, beispielsweise durch den Bau von Windkraftanlagen, geschaffen werden müssten. "Darüber spricht man nicht oft", meinte Haas.

Doch der ökologische Ausgleich wird sich nicht vermeiden lassen. Das bestätigte denn auch Sabine Englert vom Umweltministerium Baden-Württemberg.

Das Land hat jedenfalls vor, die Energiewende voranzubringen, gleichzeitig aber auch Klima- und Naturschutz zu betreiben. Das soll durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und durch Energieeinsparungen gelingen. Die Referentin zeigte das Energieszenario Baden-Württembergs auf: Danach soll der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf 25 Prozent und bis 2050 auf 78 Prozent erhöht werden. Im gleichen Zeitraum soll der Energiebedarf um knapp 50 Prozent zum Vergleichsjahr 2010 reduziert werden.

Bei Wasserkraft sind kaum noch Steigerungen zu erwarten. Das gilt, so die Referentin, auch für Bioenergie mit derzeit rund sieben Prozent. Das Land gehe davon aus, dass bei acht Prozent das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Das hänge damit zusammen, dass die Flächen begrenzt seien. Landwirte sehen jedoch noch Steigerungspotenzial: Den Maisanteil von derzeit etwa 19 Prozent könnte man durchaus auf 30 Prozent erhöhen, fand einer der Zuhörer.

Das ist offenbar nicht im Sinne des Landes: Es gebe Überlegungen, die Vermaisung einzuschränken, sagte Sabine Englert. Ein anderes Problem für die Landwirte sind die jüngsten Aussagen von Umweltminister Peter Altmaier, die Strompreise durch Einsparungen bei der Einspeisevergütung zu bremsen. Das würde die Biogasbetreiber unter den Landwirten hart treffen: "Wie soll man da noch in die Politik vertrauen haben?", fragte sich ein Landwirt.

Ein weitaus größeres Ausbaupotenzial an erneuerbaren Energien sieht das Land bei Photovoltaikanlagen und vor allem bei Windkraftanlagen, die auch für die Landwirtschaft eine Rolle spielen. Das Land strebt hier eine Steigerung von derzeit einem auf zehn Prozent im Jahr 2020 an, kommt aber nicht richtig voran. Im Ländervergleich sei Baden-Württemberg Schlusslicht, räumte Sabine Englert ein.

Planungssicherheit fehlt

Mit den unvermeidlichen Ausgleichsflächen und Versiegelungen gehen der Landwirtschaft dabei Flächen verloren. Andererseits haben die Bauern als Energiewirte neue Einkommensquellen. Durchaus verlockend ist es für sie, Flächen für Windkraftanlagen zu verpachten: ein Thema, auf das Dirk Schneider von der LGG Steuerberatungsgesellschaft Baden-Württemberg näher einging.

Dass zuletzt kaum neue Windkraftanlagen gebaut wurden, wundert ihn nicht. Für Investoren fehlt die Planungssicherheit, da sehr viele Gemeinden in ihren Flächennutzungsplänen noch keine Standorte für Windparks ausgewiesen haben. Was allerdings Projektierer nicht davon abhält, schon mal auf Landwirte zuzugehen und sich windhöffige Flächen vertraglich zu sichern. Mit lukrativen Angeboten: Die Jahrespacht kann zwischen 20 000 und 30 000 Euro liegen.

Die gibt es jedoch erst, wenn die Anlage steht. Und daran werden, so Schneider, die Grundstücksnachbarn nicht unbedingt ihre Freude haben. So könnte es sein, dass diese ebenfalls mitkassieren wollten.

Schneider riet von einer schnellen Unterschrift, womöglich schon auf dem Acker, ab. Zumal in den Verträgen so einiges zu beachten sei. Unbedingt geklärt werden müsse etwa die Rückbaugarantie, wenn die Windkraftanlage nach 20 bis 25 Jahren ausgedient habe. Schneider empfahl Grundstückseigentümern in einem Windkraft-Vorranggebiet, sich zusammenzuschließen und einheitliche Vertragsverhandlungen zu führen.

Am Schluss der Tagung erhielten die rund 50 Besucher Informationen zum Netzausbau in Baden-Württemberg.