Studiobetreiber fordern schnelle Öffnung. Abgeordneter sagt seine Unterstützung zu. Mitglieder zeigen sich solidarisch.
Sulz - Während das öffentliche Leben in vielen Bereichen wieder - wenn auch nur vorsichtig - hochgefahren wird, fühlen sich die Betreiber der Fitnessstudios von der Politik im Stich gelassen. Sie wünschen sich eine klare Perspektive für ihre Mitarbeiter und Mitglieder. Und sie sind bereit, wieder loszulegen.
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Seit bald zwei Monaten bleiben die Fitnessgeräte im Sulzer Injoy-Studio unbenutzt. Es finden keine Beratungen, keine Trainings, keine Kurse statt. Beim Geschäftsführer Günter Fink wächst mit jedem Tag die Ungeduld - und das Unverständnis für die fehlende Wertschätzung seiner Arbeit.
"Mit diesen Maßnahmen verbieten wir den Menschen heute, gesund zu bleiben. Wir verbieten ihnen den Zugang zum qualifizierten Training", sagt er. Und wird gleich emotional: "Das treibt mich einfach in den Wahnsinn." Vor 27 Jahren hat seine Frau Reinhilde Fink den Fitnessclub gegründet. Seit Jahren begleitet das Ehepaar zusammen mit einem engagierten Team die Kunden auf dem Weg zur besseren Gesundheit. Nun ist Zwangspause angesagt. Wie lange sie noch dauert, weiß niemand.
Zusammen mit seinen Kollegen von anderen Injoy-Standorten im Landkreis - mit Georg Breitenreuter aus Rottweil und Romina Kopp aus Schramberg-Sulgen - haben die Finks einen Hilferuf an die Entscheidungsträger in der Politik gesandt. Das Ergebnis: Viele haben auf den Brief geantwortet. FDP-Landtagsabgeordneter Daniel Karrais wollte mit den Studioleitern über ihre Sorgen sprechen - und kam nach Sulz.
"Wir sehen uns als Gesundheitsanbieter und nicht als ›Muckibude‹, die nur Geräte zur Verfügung stellt", sagt Georg Breitenreuter, der das Injoy-Studio in Rottweil leitet. Prävention, betont auch Günter Fink, sei ein ganz wichtiger Aspekt - und dieser könne derzeit nicht umgesetzt werden.
Fehlende Anerkennung
Die fehlende Anerkennung ihrer Leistung stößt den Studiobetreibern offenbar schon lange sauer auf - in Corona-Zeiten kommen noch verheerende finanzielle Auswirkungen mit dazu. "Gastronomie und Freizeitparks dürfen aufmachen. Und wir haben keinen Termin, keine Verlässlichkeit. Wir fühlen uns diskriminiert", meint Günter Fink. Die Arbeitsplätze stünden auf der Kippe.
"Es ist klar, dass wir Auflagen haben werden. Und die Umsetzung der Maßnahmen haben wir gut vorbereitet", macht Fink klar. Mit einer App kann er im Studio zum Beispiel lückenlos nachweisen, wer da war. Auch das Schutz- und Hygienekonzept ist da. Und trotzdem kann er derzeit nur eins: warten. "Die Gesundheit der Menschen bleibt auf der Strecke", macht Fink deutlich.
Dem pflichtet auch Breitenreuter bei: "Jeder Kebab-Stand hat einen höheren Stellenwert als die Gesundheitsbranche." Er hebt hervor: "Ein Fitnessstudio ist mehr als nur ein Ort zum Trainieren. Es ist ein sozialer Treffpunkt, es ist eine Familie. Die Mitglieder wollen wieder kommen, und das signalisieren sie uns die ganze Zeit."
Romina Kopp, Studioleiterin aus Schramberg-Sulgen, spricht gar von der Systemrelevanz der Fitnessbranche. Vor allem Menschen, die Probleme haben - Diabetes, Herzkreislauf-Erkrankungen oder Rückenschmerzen - sind auf professionelle Betreuung angewiesen. "Wir begleiten unsere Mitglieder, wir haben ein großes Netzwerk und eine große Verantwortung."
Große Solidarität
Die meisten Mitglieder, so ist die Erfahrung der drei Studioleiter, zeigen sich in der Krise solidarisch und zahlen ihre Beiträge weiter. Nichtsdestotrotz: Die finanziellen Auswirkungen sind jetzt schon verheerend - und die große Katastrophe kommt erst zeitversetzt. Denn die Schließungszeit wird in Form von Trainingsgutscheinen wieder gutgeschrieben. Und: Manche Kunden werden aus Angst und Verunsicherung ihre Mitgliedschaft womöglich kündigen oder pausieren. "Irgendwann hört die Solidarität der Mitglieder auf. Wir müssen jetzt aufmachen", fordert Günter Fink.
Spaziergänge im Wald seien kein Ersatz für das Training im Studio, fügt Reinhilde Fink hinzu. Und sagt (das ist als Seitenhieb an die Adresse des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gemeint): "Vom Wandern kriegt man keine Muskeln".
Abgeordneter Daniel Karrais outet sich beim Vor-Ort-Termin zwar als Sportmuffel, verspricht aber, sich für die Fitnessbranche in Stuttgart stark zu machen - und seinen inneren Schweinehund zu überwinden, um künftig regelmäßig Sport zu treiben. Eins ist klar: Beide Vorhaben haben es in sich.