Günter Neidinger hat ein neues Buch herausgebracht.Foto: Steinmetz Foto: Schwarzwälder Bote

Literatur: Autor Günter Neidinger erzählt Geschichten aus den 1950er-Jahren

Sulz. "Was für ein Glück, dass es Omas und Opas gibt." Ihnen hat Günter Neidinger sein neuestes Buch gewidmet. Sein Erinnerungsschatz scheint unerschöpflich zu sein. Diesmal erzählt er von Erlebnissen auf dem Hof seiner Großmutter, berichtet vom ländlichen Leben und den lustigen Streichen des Großvaters Robert, der es "faustdick" hinter den Ohren hatte.

"Es waren immer besondere Tage im Jahr, wenn wir bei den Omas und Opas sein durften oder wenn sie uns besuchten", schreibt der Autor in seinem Vorwort. Günter Neidinger, Jahrgang 1943, ist im badischen Bühl mit fünf Geschwistern aufgewachsen, studierte nach dem Abitur an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe und war dann viele Jahre lang Lehrer und Rektor der Grundschule Fischingen. In drei Jahrzehnten hat er mehr als 400 Bücher mit einer Gesamtauflage von rund vier Millionen Exemplaren herausgebracht.

Das jüngste Werk hat den Titel "Was tun mit Omas Zehner?". In der Geschichte geht es nicht um einen Zehn-Mark-Schein, sondern um ein Zehn-Pfennigstück, das die Enkelkinder fürs Spülen und das Geschirrwegräumen von der Oma zur Belohnung erhielten. Heute kann man mit zehn Cent nicht viel anfangen, damals mit zehn Pfennigen sehr wohl, beispielsweise eine Kugel Erdbeereis kaufen. Fußballfan Günter Neidinger gab das Geld lieber dafür aus, um das Spiel des VfB Bühl anschauen zu können.

Es war eine karge Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der die kurzen Erzählungen spielen. Neidinger erinnert sich an das Fuhrwerk mit Kraut und Rüben, an eine Schlittenfahrt, die im Dorfweiher endet, oder an das Schneehaus, das die Kinder im Winter bauten. Der Alltag war geprägt von Arbeit und einer sparsamen Lebensweise, die aber alles andere als freudlos war. Was für eine Aufregung, als das Schlachtschwein ausriss und quiekend die Dorfstraße hinunterlief. Eine vergebliche Flucht: Es wurde wieder eingefangen und geschlachtet. Die Metzelsuppe schmeckte besonders gut. Wenn gemetzget wurde, war es immer ein Festtag – nicht nur für die Familie. Von dem "Reichtum" an Wurst und Fleisch bekam auch die arme Witwe in der Nachbarschaft noch etwas ab.

Empfindsam durfte man als Stadtkind beim Besuch auf dem Land allerdings nicht sein. Günter Neidinger erzählt von einem Bauern, der ein Huhn köpfte und es in einen Bottich mit heißem Wasser warf. Damit sich, so die Erklärung, die Federn leichter rupfen ließen. Das kopflose Federvieh hatte aber etwas dagegen, flatterte aus dem Kübel und machte sich davon, bis es an einem Zaun hängen blieb und doch noch im Kochtopf landete. Die Kinder erfuhren auch, dass der Tod zum Leben gehört. Die Urgroßmutter ist gestorben. Die trauernden Angehörigen versammeln sich in der Küche, als die vermeintlich tote Frau im weißen Sterbegewand hereintritt und etwas zu essen verlangt. "Das alles ging über meinen kindlichen Verstand", gesteht der Autor.

Das ist eher eine Geschichte zum Gruseln, doch zumeist erzählt Günter Neidinger Heiteres, besonders im letzten Kapitel. Da geht es um die Lausbubengeschichten seines Großvaters Robert, der immer zu einem Streich aufgelegt war und es manchmal auch übertrieb. Er ist sogar einmal als "Attentäter" in Gewahrsam genommen worden. Beim Besuch der Großherzogin Luise hatte Robert dem hohen Gast nicht nur mit Hochrufen gehuldet, sondern in seiner Begeisterung auch noch einen Schneeball nachgeworfen. Und der landete zielgenau auf der "großherzoglichen Brust". Das zog Strafe nach sich, aber zumeist kam der schlaue Robert bei seinen Streichen ungeschoren davon.

Ob mit solchen "Schandtaten" die Jugend verdorben wird? Heute sicher nicht mehr, und auch damals haben sie nicht geschadet, wie Günter Neidinger feststellt. Opa Robert habe es später beruflich weit gebracht. "Aus uns ist auch was Rechtes geworden, trotz Opas Geschichten. Oder vielleicht gerade deswegen."

ZuM Buch:"Was tun mit Omas Zehner? Badische Kindergeschichten aus den 50er-Jahren", Günter Neidinger, Silberburg-Verlag Tübingen, 128 Seiten, 14,99 Euro