Sulz entwickelt erstmals ein Gebiet, dessen Grundstücke sich nicht zu 100 Prozent in städtischer Hand befinden
Sulz - Kontrovers und zum Teil recht emotional wurde am Montagabend im Gemeinderat die Diskussion über ein neues Baugebiet im Mühlheim geführt. Ergebnis: Es wird entwickelt, obwohl rund 41 Prozent der Grundstücke in privater Hand liegen.
Damit rückte der Gemeinderat von seinem Beschluss ab, in dem es heißt, es werde erst in eine Planung eingestiegen, wenn sich 100 Prozent des Baugrunds in städtischem Besitz befinden. Denkbar knapp war daher aus die Entscheidung im Gremium. Mit neun Ja-Stimmen, sieben Gegenstimmen und einer Enthaltung setzte sich der Beschlussvorschlag der Verwaltung gerade so durch.
Das neue Baugebiet, so heißt es in der Vorlage, werde nötig, um in Mühlheim in absehbarer Zeit wieder Bauplätze anbieten zu können. Beim ursprünglichen Gebiet "Etzelsteig" waren die Kaufverhandlungen ins Stocken geraten.
Gemeinsam mit einem Investor, ihm gehören die 41 Prozent, soll nun die "Fischinger Steige II" in Angriff genommen werden. 14 Bauplätze sollen entstehen – acht städtische und sechs private. Es ist der Stadtrat Dieter Kopp (CDU), der vom Ratstisch wegrückte, als der Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde. Daher bedarf es auch der Genehmigung der Rechtsaufsicht des Landratsamts Rottweil.
Auf völliges Unverständnis stieß diese Vorgehensweise bei Erwin Stocker (FWV). Seiner Meinung nach sei bei den Grundstücksverhandlungen für "Etzelsteig" im Ort nicht nachdrücklich genug vorgegangen worden. Hier sei die Stadt bereits in enorme Vorleistung beim Kauf von Gelände und Infrastrukturarbeiten gegangen. Einen "Tadel" sprach er auch der Stadtverwaltung aus, die auf Mühlheim nicht genug Druck ausgeübt habe, "mehr hinterher zu sein".
Eine Abkehr von einer Praxis, die man jahrelang aufgebaut habe, hält er für völlig verkehrt. Seiner Meinung nach solle der Investor verkaufen und anschließend die Bauplätze zu den von der Stadt festgelegten Preisen zurück erwerben. Zudem monierte Stocker, dass der Investor, als Ortschafts- und Stadtrat befangen, auch bei Verhandlungen im Gebiet "Etzelsteig" beteiligt gewesen sein soll. Da bekomme "das ganze Baugebiet ein Geschmäckle".
Diesen Vorwurf sowie den Tadel, bei Verhandlungen zu untätig zu sein, wollte Ortsvorsteher Axel Ziner nicht auf sich sitzen lassen. "Wenn einer nicht verkaufen will, dann will er nicht verkaufen", auch dann nicht, wenn er zehnmal "hinsaue". Und das habe er getan. "Der Investor war bei den Gesprächen nie dabei."
Klaus Schaible (CDU) "schmeckt das überhaupt nicht". Hier würden Spekulanten Tür und Tor geöffnet. Sein Fraktionskollege Robert Trautwein hingegen erklärte: "Keiner kann ohne den anderen." Schließlich habe die Stadt vertraglich vereinbart, dass sie die ersten beiden Bauplätze anbieten darf, bevor der Investor in die Vermarktung einsteige. Er empfand seine Zustimmung als eine Verpflichtung, Mühlheim zu helfen. Ähnlich sah das Helmut Fleiner (CDU).
Von einer Zwickmühle sprach Rolf Springmann (FWV), und sein Fraktionskollege Werner Giering mahnte die unmittelbarere Nachbarschaft zu Fischingen an, das derzeit ebenfalls in Grundstücksverhandlungen stecke. Womöglich dächten sich die Besitzer dann, "verkauf’ ich doch lieber an einen Investor, der zahlt mehr."
Klaus Schätzle (SPD) nannte das Ganze "ein echtes Dilemma". Es gelte nun, abzuwägen zwischen Prinzip und Bebauungsnot, und da sprach er sich für Pragmatismus aus. "Schließlich zwingt uns ja niemand, in einem zweiten Fall genauso zu verfahren."
Mit der nun beschlossenen Vorgehensweise begibt sich die Stadt Sulz auf Neuland. Um die Interessen aller Beteiligten zu wahren, wird daher ein sogenannter Erschließungsträger beauftragt. Das ist ein unabhängiger Dritter – ein Dienstleister. Gut 10 000 Quadratmeter umfasst das Baugebiet. Die Verwaltung hat zwischen 105 und 115 Euro kalkuliert, die Bauwillige pro Quadratmeter bezahlen müssten. Drei Anfragen liegen Ortsvorsteher Axel Zirner bereits vor.
Bürgermeister Gerd Hieber hörte sich die Diskussion recht gelassen an. Der gefasste Beschluss, den Stocker anmahnte, sei nicht durchführbar, weil "er halt nicht zum Ergebnis führt". Zudem stehe nicht zu erwarten, dass die Grundstücke vom Investor vorgehalten würden. Der habe ja selbst ein Interesse an einer Vermarktung, sodass die Bauplätze zügig auf den freien Markt kämen.
"Ich nehm’s sportlich", sagte Stadtrat und Investor Dieter Kopp im Anschluss an die Sitzung im kurzen Gespräch mit unserer Zeitung. Er habe eine heftige Diskussion erwartet, und er sei auch froh, dass diese öffentlich geführt worden sei. So könne niemand von Mauschelei reden.
Nun ist die Stadt Sulz allerdings noch abhängig vom Wohlwollen der Genehmigungsbehörde im Regierungspräsidium. Denn "Fischinger Steige II" ist derzeit nicht im Flächennutzungsplan enthalten. Eine Aufnahme will die Stadt dadurch erreichen, dass sie eine Erweiterungsfläche im Bereich "Etzelsteig" im Tausch herausnimmt. Wird dies allerdings abgelehnt, so könnte damit das ganze Projekt zu Fall gebracht werden.