Klare Worte: Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick. Foto: Eppler Frank

Mobiles Arbeiten erleichtert die Arbeit doch die IG Metall sieht darin auch die Gefahr, dass immer mehr Arbeit unbezahlt zuhause erledigt wird. Südwestmetall-Chef Dick hält dem eine andere Sichtweise entgegen.

Herr Dick, die IG Metall bläst beim Thema Arbeitszeit zum Angriff und wirft den Arbeitgebern vor, Millionen Überstunden nicht zu bezahlen. Wird in Deutschlands Metallbetrieben im großen Stil gratis gearbeitet?
Die allermeisten Unternehmen haben einen Betriebsrat, ohne dessen Zustimmung es gar keine Überstunden geben kann. Da wird dann alles geregelt, auch die Bezahlung, soweit sie nicht sowieso tariflich geregelt ist. Der Vorwurf kann so also gar nicht stimmen.
Landeschef Roman Zitzelsberger wirft Firmen vor, die Anforderungen so hoch zu schrauben, dass viele Mitarbeiter die Arbeit in der vorgesehenen Zeit gar nicht schaffen können. Sie müssten dann das mobile Arbeiten von unterwegs und zu Hause nutzen, um in ihrer Freizeit die verbleibende Arbeit zu erledigen.
Das mobile Arbeiten kann den Beschäftigten natürlich vor allem erleichtern, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren, indem es zum Beispiel Eltern möglich macht, nachmittags die Kinder zu betreuen und erst abends die restliche Arbeit zu erledigen. Dass man zu Hause arbeitet, ist allerdings nichts grundlegend Neues. Schon früher haben Menschen Unterlagen mit nach Hause genommen. Heute lesen sie diese eben nicht mehr auf Papier, sondern auf dem Mobilgerät. Das ist natürlich einfacher.
Und damit steigt der Druck, das auch zu tun.
Ich will gar nicht bestreiten, dass die neuen technischen Möglichkeiten auch zu einer gewissen Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit führen. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass dies kein einseitiger Prozess ist.
Wie meinen Sie das?
Natürlich erledigen heute Mitarbeiter während der Arbeitszeit auch mehr private Dinge, was ja ebenfalls viel einfacher geworden ist. Solche Zeiten sind ebenfalls in den Überstunden enthalten, über die sich die Gewerkschaft beklagt. Doch auch die wachsende Internationalisierung und die Zusammenarbeit mit Kollegen und Kunden in ganz anderen Zeitzonen führen dazu, dass die Arbeitszeiten nicht mehr so einfach abzugrenzen sind wie früher. Es reicht für immer weniger Unternehmen aus, nur von 9 bis 17 Uhr erreichbar zu sein. Da sind neue, intelligente Modelle gefragt, wie wir sie aus der Produktion kennen. Dort ist Schichtarbeit seit jeher gang und gäbe.

Hatte die Wirtschaft in Bezug auf Flüchtlinge überzogene Erwartungen ?

Nicht nur Arbeitszeiten lösen sich auf, auch die Bindewirkung von Tarifverträgen insgesamt. Viele Berufstätige lassen sich nicht mehr erreichen, weil sie zum Beispiel als Clickworker Einzelkämpfer sind und ihre Arbeit von irgendwo aus über das Internet anbieten. Lassen sich diese überhaupt tariflich organisieren?
Wir versuchen seit Jahren, der Gewerkschaft klarzumachen, dass wir der Erosion der Tarifverträge durch zeitgemäße Regelungen entgegentreten müssen. Doch der Erfolg hält sich in Grenzen, weil viele bei der IG Metall noch stark in der Arbeitswelt der 80er Jahre verhaftet sind. Wenn einem Clickworker heute gesagt wird, er dürfe nur 35 Stunden pro Woche arbeiten und höchstens im Ausnahmefall 40, hört er schon gar nicht mehr hin. Es gibt inzwischen aber auch Ingenieure, die sich weigern, Verträge über eine 35-Stunden-Woche abzuschließen. Sie wollen mehr arbeiten, weil sie dann natürlich auch mehr verdienen. Wenn die IG Metall so weitermacht, erreicht sie nur noch die, die mit der neuen Arbeitswelt nicht zurechtkommen, aber nicht die, die sie bestimmen werden.
Der Arbeitsmarkt dürfte sich durch die Zuwanderung von Flüchtlingen deutlich verändern. Vertreter der Wirtschaft haben vor einem Jahr vorhergesagt, die Flüchtlinge könnten einen Beitrag gegen den Mangel an Fachkräften leisten, doch bisher ist kaum einer in Lohn und Brot. Haben die Wirtschaftsverbände überzogene Erwartungen geweckt?
Wir haben immer gesagt, dass wir mehr Fachkräfte brauchen, auch durch Zuwanderung entsprechend qualifizierter Menschen. Man kann den Flüchtlingen natürlich nicht vorwerfen, dass die allermeisten die Voraussetzungen nicht erfüllen, weil sie kaum Deutsch können und keine Ausbildung haben. Ebenso wenig kann man nun aber der Wirtschaft vorwerfen, dass sie nicht massenhaft Flüchtlinge beschäftigt. Die Beschäftigung in der Metallbranche wird zudem erschwert durch völlig unrealistische Vorstellungen der Gewerkschaft.
Welche Vorstellungen meinen Sie?
IG-Metall-Chef Hofmann stellt sich ja ein betriebliches Integrationsjahr vor, wonach Flüchtlinge nach kurzer Eingewöhnung gleich in die Entgeltgruppe eins der Metall- und Elektroindustrie eingestellt werden - also im Monat auf Anhieb mehr als 2200 Euro verdienen, obwohl die meisten nicht einmal Sprachkenntnisse haben und deshalb praktisch keine Leistung erbringen können.
Deshalb will die Gewerkschaft, dass der Großteil der Löhne durch die Bundesagentur für Arbeit bezahlt wird.
Diese Idee halten wir für vollkommen verfehlt. Ich glaube nicht, dass es anderen Beschäftigten zu vermitteln wäre, wenn der Kollege nebenan sofort fast das gleiche Geld bekommt, obwohl er im ersten Jahr praktisch keine Arbeiten erledigen kann. Und es kann auch nicht sein, dass Menschen in anderen Branchen, die selbst als ausgebildete Mitarbeiter viel weniger als diese 2200 Euro bekommen, mit ihren Sozialabgaben solche überzogenen Einkommen finanzieren sollen. Flüchtlinge, die sich einmal an solche Verhältnisse gewöhnt haben, werden zudem kaum noch bereit sein, eine Ausbildung zu absolvieren oder etwa zum Handwerk oder in den Dienstleistungsbereich zu gehen, obwohl dort großer Bedarf besteht.
Wie wichtig ist eine Ausbildung?
Wir brauchen vor allem qualifizierte Beschäftigte, deshalb ist eine Ausbildung enorm wichtig. Am Ende ist niemandem gedient, wenn wir viele zusätzliche Arbeitskräfte haben, die aber nicht dort arbeiten können, wo sie gebraucht werden.
Viele Flüchtlinge wollen möglichst schnell viel Geld verdienen, um ihre Angehörigen zu versorgen.
Das kann man ja auch verstehen. Doch wer eine Ausbildung absolviert, ist ja nicht mittellos, sondern hat in der Regel eine Aufenthaltsberechtigung und somit ohnehin Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen. Viel wichtiger als das schnelle Geld ist es, durch eine gute Ausbildung die Basis zu schaffen, um im Berufsleben langfristig mithalten zu können.