Im Januar musste der Discounter Lidl 1,5 Millionen Euro Bußgeld zahlen, weil er den Verkauf eines lebensgefährlich verseuchten Käses nicht rechtzeitig gestoppt hatte. Foto: dpa

Lidl musste 1,5 Millionen Euro bezahlen, Siemens sogar 200 Millionen. Mancher Strafverfolger weiß aber gar nicht, dass oder wie man solche Bußgelder gegen Unternehmen beantragen kann. Der Justizminister gibt Staatsanwälten deshalb Tipps für Verfahren gegen Unternehmen.

Lidl musste 1,5 Millionen Euro bezahlen, Siemens sogar 200 Millionen. Mancher Strafverfolger weiß aber gar nicht, dass oder wie man solche Bußgelder gegen Unternehmen beantragen kann. Der Justizminister gibt Staatsanwälten deshalb Tipps für Verfahren gegen Unternehmen.

Stuttgart - Was tun, wenn in einem Unternehmen zwar gegen Gesetze verstoßen wurde, die Taten aber nicht einzelnen Mitarbeitern zugeordnet werden können? Nach dem Strafrecht müssen die Ermittlungen dann eingestellt werden. Es sieht nämlich keine Strafen für eine Firma als Ganzes vor, nur für einzelne Mitarbeiter. Eine schmerzhafte Sanktion ist allerdings dennoch denkbar – und zwar über einen Weg, auf dem sich Strafverfolger oft nicht gut auskennen: Das Ordnungswidrigkeitengesetz bietet unter Paragraf 30 die Möglichkeit, eine kollektive Geldbuße zu verhängen, wenn ein Unternehmen gegen seine Pflichten verstoßen hat. So kann der mutmaßliche Gewinn, den die Firma durch die krummen Machenschaften erzielt hat, abgeschöpft werden.

Nur wenige Staatsanwaltschaften machen dies konsequent - auch in Baden-Württemberg. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hat deshalb im Sommer letzten Jahres eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Sie sollte eine Handlungsanleitung mit Mustertexten und fiktiven Beispielen erarbeiten, um vor allem kleinere Staatsanwaltschaften darüber zu informieren, wie und in welchen Fällen man eine solche Geldbuße vor Gericht beantragen kann.

„Wir haben keinen Anlass, die Wirtschaft unter einen Generalverdacht zu stellen“, sagte Stickelberger den Stuttgarter Nachrichten. „Es geht ausschließlich um die, die kriminell handeln.“ Derzeit würden die Möglichkeiten der Sanktionierung nur selten genutzt, meist konzentrierten sich die Staatsanwälte bei Verstößen auf die strafrechtliche Verfolgung. Dabei müsse jedem Beschuldigten eine individuelle Schuld nachgewiesen werden. „Nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz kann das Unternehmen aber auch als Ganzes belangt werden“, so Stickelberger. Insbesondere könnten ihm dadurch unrechtmäßig erlangte Gewinne entzogen werden. Dies sei noch zu wenig bekannt.

Auch im Land wurde schon zugelangt

Vor allem die Münchner Staatsanwaltschaft macht von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch. So wurde im Jahr 2007 auf ihr Betreiben hin gegen Siemens ein Bußgeld von 200 Millionen Euro verhängt, weil die Konzernführung das Zahlen von Schmiergeldern jahrelang geduldet hatte und somit nach Ansicht des Landgerichts München gegen seine Aufsichtspflicht verstieß.

Vor einer Woche war zudem bekannt geworden, dass die Münchner Staatsanwaltschaft ein Bußgeld-Verfahren gegen die Deutsche Bank eingeleitet hat, weil deren Mitarbeiter im Streit um Schadenersatzforderungen mit der Kirch-Mediengruppe vor Gericht gelogen haben sollen und dies möglicherweise intern abgesprochen war.

Aber auch im Land wurde schon zugelangt: Im Januar musste der Discounter Lidl 1,5 Millionen Euro Bußgeld zahlen, weil er den Verkauf eines lebensgefährlich verseuchten Käses nicht rechtzeitig gestoppt hatte. Gegen vier Mitarbeiter verhängte das Amtsgericht Heilbronn zudem Geldstrafen.

Die Handreichung aus dem Stuttgarter Justizministerium ist inzwischen den einzelnen Staatsanwaltschaften zugeleitet worden, am Dienstag hat Stickelberger die Inhalte dem Kabinett vorgestellt. Sie sollen auch in die Fortbildung der Staatsanwälte einfließen und sind den .

Solche Handreichungen sind nach Angaben von Staatsanwälten äußerst selten. Im konkreten Fall hält es zumindest die Staatsanwaltschaft in Stuttgart für „eine tolle Sache“, wie eine Sprecherin sagte.