Regierungspräsident Wolfgang Reimer (hier auf der Pressekonferenz zum Luftrienhalteplan mit Verkehrsminister Winfried Hermann) erhält Post von den Landräten. Foto: dpa

In Stuttgart sollen von 2018 an ältere Diesel bei großer Luftverschmutzung ausgesperrt werden. Doch wo fahren diese Autos dann? CDU und SPD befürchten starken Ausweichverkehr in den Nachbarkreisen. Sie haben im Landtag und über die Landräte Aktivitäten gestartet.

Stuttgart - Was passiert, wenn Zehntausende älterer Diesel von 2018 an an Alarmtagen nicht mehr in den Stuttgarter Talkessel fahren können, wie es im Luftreinhalteplan vorgeschrieben wird? Das Land und die Stadt hoffen, dass die Fahrer in Busse und Bahnen umsteigen. In den Kreisen rund um Stuttgart freilich wächst die Befürchtung, dass sie sich stattdessen andere Wege suchen werden – vor allem, wenn ihr Fahrtziel gar nicht Stuttgart ist. „Die Fahrverbote bedeuten nicht nur Einfahrts-, sondern auch Durchfahrtsverbote“, sagt Helmut Noe, der CDU-Fraktionschef im Böblinger Kreistag und Regionalrat seiner Partei: „Das hat zur Folge, dass sehr viele Fahrten in die Nachbarkreise gelenkt werden.“

SPD kritisiert Minister Hermann und OB Kuhn

Nach Initiativen der CDU-Fraktionen in den Kreistagen Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr haben sich die vier Landräte der Stuttgarter Nachbarkreise an das Regierungspräsidium gewandt. Zeitgleich verlangt die SPD-Landtagsfraktion in einer Anfrage an die Landesregierung vom Verkehrsministerium unter anderem Auskunft darüber, wie sich die Fahrverbote auf das Stuttgarter Umland auswirken. Und Thomas Leipnitz, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Regionalfraktion, stellt nach der Lektüre des Luftreinhalteplans für Stuttgart, der die Fahrverbote als eine Maßnahme enthält, enttäuscht fest, dass die Folgen auf die Region Stuttgart nur unzureichend betrachtet werden. „Es kann nicht sein, dass Minister Hermann und OB Kuhn versuchen, die Stuttgarter Verkehrsprobleme zu Lasten der Nachbarkommunen zu lösen“, sagt er.

Noe fordert in seinem Vorstoß, dass die Landräte der Stuttgarter Nachbarkreise gemeinsam mit den Verkehrsbehörden des Landes und der Stadt Stuttgart Verhandlungen führten. Das Ziel müsse sein, die verkehrslenkenden Maßnahmen in Stuttgart so zu gestalten, dass Verkehrsverlagerungen vermieden und auf ein Minimum reduziert würden. „Ohne solche Maßnahmen dürfen Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge in Stuttgart nicht ausgesprochen werden“, meint Noe.

Landräte schreiben an Regierungspräsidenten

Der Vorstoß des CDU-Politikers führte bereits dazu, dass der Böblinger Landrat Roland Bernhard an Regierungspräsident Wolfgang Reimer schrieb. „Es besteht die große Sorge, dass das Fahrverbot den Verkehr in großer Menge auf die Umlandkreise verlagert, die ohnehin schon stark vom Verkehr belastet sind und zusätzliche Belastungen erfahren“, formuliert Bernhard. Der Landrat hält deshalb „verkehrsentlastende Maßnahmen für dringend geboten, um Zusatzbelastungen zu vermeiden oder auf ein Minimum zu reduzieren“. Darüber müsse es rasch Gespräche des Regierungspräsidenten mit den Kreisen geben, fordert er.

Auch in den anderen Kreisen schrieben die CDU-Fraktionschefs – teilweise mit gleichlautenden Formulierungen – an ihre Landräte. Das blieb nicht ohne Folgen. Der Kreis Ludwigsburg werde auf das Land zugehen, um über die Auswirkungen des Fahrverbots zu reden, sagte eine Sprecherin von Landrat Rainer Haas: „Wir werden dabei die Interessen des Kreises vertreten.“ Der Esslinger Landrat Heinz Einiger bittet in einem Brief an Regierungspräsident Reimer, dass „die Auswirkungen der Verkehrsbeschränkungen in Stuttgart auf den Kreis Esslingen untersucht werden“ und fordert eine Beteiligung des Landratsamts und der Städte und Gemeinden des Kreises am momentan laufenden Anhörungsverfahren zum Luftreinhalteplan.

Auch im Rems-Murr-Kreis wird mit „massiven Zusatzbelastungen“ gerechnet

Im Rems-Murr-Kreis pocht der Landrat Richard Sigel auf Gespräche mit dem Regierungspräsidium. Eine „sechsstellige Anzahl von Autos“ in den Kreisen rund um Stuttgart könnten von den Fahrverboten betroffen sein. Deshalb müsse mit „massiven Zusatzbelastungen“ gerechnet werden, die „besonders gravierend“ seien, da schon heute Straße und Schiene „völlig überlastet“ seien und es auch im Stuttgarter Umland Probleme mit der Luftreinhaltung gebe. „Im Rems-Murr-Kreis besteht daher die nicht unberechtigte Sorge, dass die Luftreinhalteprobleme der Landeshauptstadt auf die Umlandkreise ausgelagert werden könnten“, sagt Sigel.

Der Waiblinger Landrat fordert deshalb, dass über die allgemeine Anhörung zum Luftreinhalteplan hinaus die Experten des Regierungspräsidiums „zeitnah über die vom Regierungspräsidium prognostizierten Mehrbelastungen für den Rems-Murr-Kreis“ informieren. Dazu gehörten Verdrängungsverkehre, aber auch „höhere Inanspruchnahme von P+R-Plätzen und größere Auslastung des Nahverkehrs“.