Die alten Zellen aus den 80er Jahren sollen aus dem Stadtbild verschwinden. Hier gesehen in Stuttgart Sommerein. Foto: Piechwoski

Der moderne Mensch hat ein Handy – und braucht deshalb auch keine Telefonzellen mehr. Für den Betreiber sind die Häuschen nicht mehr lukrativ, also kommen sie weg.

Stuttgart - Das Geschäft der Telekom ist Kommunikation. Aber wer mit der Telekom über die gute alte Telefonzelle ins Gespräch kommen will, erlebt fast Funkstille. Selbst einfache Fragen werden nur pauschal beantwortet. Beispiel: Wie viele Telefonzellen gibt es noch in Stuttgart?

Antwort aus der Kommunikationszentrale: „Die von Ihnen gewünschten Daten halten wir in dieser Form für die externe Kommunikation nicht vor.“

Aha.

Nächster Versuch – mit einem ganzen Bündel an Fragen: Gibt es eine Statistik über den Rückgang in den vergangenen zehn bis 15 Jahren? Wo gibt es in der Stadt noch öffentliche Münzfernsprecher? Wie sieht der Plan aus? Wo wird weiter abgebaut? Wie werden die noch bestehenden Telefone genutzt? Wie war das Nutzerverhalten früher, wie ist es heute? Was kostet der Unterhalt eines Standorts? Und gibt es bewusste Sachbeschädigung? Wenn ja, in welchem Ausmaß?

Die Auskunft der Telekom: „Zum Thema Telefonzellen kann ich Ihnen grundsätzlich Folgendes sagen: Die Bedeutung der Telefonzelle hat mit dem Siegeszug des Handys abgenommen. Statistisch gesehen hat jeder Deutsche mindestens ein Handy. Die Notwendigkeit für öffentliche Telefonzellen nimmt dementsprechend ab. Der Kunde entscheidet über die Dichte des Telefonzellennetzes.“

Die wenig überraschende Nachricht kommt beinahe der Ansage „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ gleich. Aber mit genau den gleichen dürren Worten wurden zuletzt auch die Bezirksbeiräte in Untertürkheim und Münster bedient. Dort sollen die verbliebenen Telefonzellen von der Bildfläche verschwinden. Ersatzlos. Ohne genaue Begründung. Keiner kennt genaue Nutzungszahlen oder Kosten.

Dabei wäre eine transparente Beispielrechnung hilfreich. Sie könnte zeigen, dass die Telefonzellen tatsächlich unrentabel sind. Wenn nachvollziehbar wird, dass die Apparate auf der einen Seite keinen Umsatz bringen, aber andererseits für viel Geld gewartet und gereinigt werden müssen, könnten Kommunen und Bürger den Kahlschlag nachvollziehen. Angeblich kann nur noch die Hälfte aller Telefonzellen wirtschaftlich betrieben werden.

„Die von der Telekom haben uns bloß gesagt, dass die Telefonzellen zu wenig frequentiert werden“, sagt ein Mitarbeiter des Bezirksrathauses in Münster, „der öffentliche Betrieb sei wenig sinnvoll, da fast keine Besucher mehr kämen.“ Mit ähnlich wertvollen Informationen konfrontierte die Telekom auch den Untertürkheimer Rat. Doch dort gibt man nicht klein bei. „Wir wollen zwei der vier Telefonzellen erhalten“, sagt die stellvertretende Bezirksvorsteherin Dagmar Wenzel und begründet den Vorstoß: „Eine davon steht im Wohngebiet Wallmer, wo es viele ältere Menschen gibt, die kein Handy besitzen oder nicht gut damit umgehen können. Die zweite steht an der Bibliothek. Also an einem zentralen Ort des Stadtteils.“

Ob die Untertürkheimer die zwei öffentlichen Telefone retten können, ist ungewiss. „Wahrscheinlich haben wir wenig Chancen“, sagt Dagmar Wenzel, „aber wir versuchen es trotzdem.“ Es ist ein Kampf gegen den Trend. „Es gibt bundesweit noch rund 40 000 Telefonzellen, die Deutsche Telekom betreibt“, erklärt der Unternehmenssprecher. Das ist knapp ein Drittel des einstigen Bestands. Weiter heißt es: „Wenn die Gemeinde an einem Standort festhalten möchte, können wir über eine kostengünstige Alternative wie etwa ein Basistelefon sprechen.“

Auf diesen Kompromissvorschlag erntet die Telekom immer öfter Gegenwehr. Denn diese frei stehenden Telefonsäulen sind nicht beleuchtet, schützen nicht vor Regen oder unliebsamen Mithörern. Zudem kann man dort nicht mit Münzgeld telefonieren. Auch die Telefonkarte funktioniert dort nicht. Wer nicht auf der Leitung stehen will, braucht eine Kreditkarte oder den Zahlencode einer Calling-Card. Möglich sind auch teure R-Gespräche. Nur Notrufe und Telefonate zu 0800-Nummern sind kostenlos.

Genau genommen sind diese Basistelefone allerdings nur ein mäßiger Ersatz für die klassische Telefonzelle. Und nostalgische Gefühle oder die Sehnsucht nach der guten alten gelben Telefonzelle können diese Telefone ohnehin stillen. Immerhin in diesem Punkt hat der Mann von der Telekom doch noch einen guten Tipp. Übrigens: „Die Telekom veräußert seit kurzem gebrauchte Telefonhäuschen. Wer sich für ein Telefonhäuschen interessiert, kann sich unter 08 00 330 1000 oder unter der Mailadresse info@telekom.de über Preise und Konditionen informieren.“

In Münster haben sie jedoch eine ganz andere Idee. Dort wollen die Bürger auch weiterhin im Gespräch bleiben. „Als Ersatz wollen wir dort ein Bänkle aufstellen, um so einen Aufenthaltscharakter zu schaffen“, sagt der Mitarbeiter des Bezirksrathauses. Was etwas rückwärts gewandt anmutet, ist vielleicht sogar weitblickend. Auf so einem Bänkle kann man wahrscheinlich besser plaudern als über jeden heißen Draht.