OB Fritz Kuhn, Finanzbürgermeister Michael Föll und Kämmereileiter Volker Schaible (von rechts) stellen am Freitag im Rathaus ihren Haushaltsentwurf vor. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Landeshauptstadt wird in den nächsten zwei Jahren 519 neue Stellen schaffen. Aber auch die Schulden steigen, und zwar von 11,4 auf 249,9 Millionen Euro. Grund ist die schwache Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen. Für Wünsche der Fraktionen ist kein zusätzliches Geld da, meinen OB Kuhn und Finanzbürgermeister Föll.

Stuttgart - Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) haben am Freitag den Entwurf für den Doppelhaushalt 2016/2017 der Landeshauptstadt präsentiert. „Ich vertrete die Vision, dass Stuttgart eine nachhaltige Stadt werden muss, der es wirtschaftlich gutgeht, aber nicht auf Kosten der Ökologie und des Sozialen“, sagte Kuhn bei der Pressekonferenz im Rathaus.

Die Visionen müssten sich im Haushalt niederschlagen. Daher, so Kuhn, setze er neben Bildung und Kinderbetreuung Schwerpunkte bei Verkehr und Umweltschutz, Wohnen und Kultur. „Wir werden uns zusätzlich verschulden, weil wir der Überzeugung sind, dass unterlassene Investitionen in Zukunftsbereiche die Stadt in eine Abwärtsspirale bringen würden.“ Die Fraktionen werden am 22. Oktober eigene Ideen und Forderungen präsentieren. Der erste Ärger bei der Beratung ist programmiert, denn erstmals hat die Rathausspitze keinerlei Budget für Fraktionsvorschläge vorgesehen. Es gebe null Euro Spielraum. „Es gibt kein Spielgeld“, auch wenn diese Bezeichnung unangemessen sei, sagte Föll. 2013 hatten er und Kuhn den Fraktionen noch einen Verfügungsrahmen von insgesamt 40 Millionen Euro zugebilligt. Wollen die Fraktionen jetzt eigene Projekte durchbringen, müssen sie andere streichen.

In einem Brief hat Föll am Freitag auch allen Bürgermeistern mitgeteilt, dass „Anträge für neue kostenwirksame Maßnahmen eine Gegenfinanzierung“ voraussetzen. Die SPD hat am Freitag erklärt, den Erhalt günstiger Sozialwohnungen stärker fördern zu wollen, den Betreuungsschlüssel für Flüchtlinge (derzeit ein Sozialarbeiter auf 136 Flüchtlinge) absenken und das Programm Kitafit weiterführen zu wollen. Auch SÖS/Linke-plus will mehr Betreuer und ein Wohnbauprogramm. Kuhns Vision einer nachhaltigen Stadt sei „nicht mehr als eine wohlklingende Worthülse“, so Fraktionsvorsitzender Thomas Adler. Höhere Steuern soll es außer auf das Glücksspiel nicht geben. Man wolle alles tun, um Betriebe in der Stadt zu halten und neue anzusiedeln. Das Drehen an der Gewerbesteuerschraube könnte Abwanderungen ins Umland verstärken, warnt Kuhn. Bei der Grundsteuer habe man eine Erhöhung diskutiert, für die es aber keinen Spielraum gebe, und eine Senkung, „die wir uns nicht leisten können“, bekannte der OB. Steigen soll nur die Vergnügungssteuer für Spielautomaten, und zwar von 22 auf 24 Prozent der Bruttoeinnahmen. Die Gewerbesteuer entwickelt sich für die Stadt zu einem Sorgenkind. Sie soll zwar 2016 und 2017 nach dem jüngsten Tief absolut gesehen wieder steigen, doch von den Einnahmen von vor der Wirtschaftskrise 2010 ist die Stadt weit entfernt. Und ihr Anteil an den Gesamteinnahmen schwindet, von 22,3 Prozent in 2010 auf nur noch 15,75 Prozent in 2014. Das liegt an sogenannten Organschaften, rechtlich zulässigen Gestaltungsspielräumen vor allem von Großfirmen (Allianz, Porsche), aber auch an Wegzügen über die Stadtgrenze „zum Beispiel zum Flughafen“, sagt OB Kuhn. Und weiter: „Wir müssen neue Betriebe, auch neue Branchen in die Gewerbegebiete bringen.“ Die Kinderbetreuung soll teurer werden, und zwar um zwölf Prozent. Der Stundensatz in den Kitas sei seit vier Jahren konstant, dabei habe die Stadt „erhebliche Kostensteigerungen durch Tarifverträge“, sagt Föll. Statt 83 Cent pro Betreuungsstunde soll künftig eine Gebühr von 93 Cent eingezogen werden. Abschläge gibt es für Familien mit Familiencard. Bonuscard-Inhaber zahlen weiterhin nichts. Ein „Haushalten auf dem Rücken der Kinder“ werde es mit SÖS/Linke-plus nicht geben, kündigt Fraktionschef Hannes Rockenbauch Widerstand an. Man werde „die zu erwartenden Proteste der Eltern und Kinder unterstützen“. Die große Unbekannte im Haushalt ist die Zahl der Flüchtlinge. Wie wird sie sich in der Landeshauptstadt entwickeln? Man plane für 2016 mit netto 200 Zuweisungen pro Monat, für 2017 mit noch 100, sagt Föll. Die Prognose sei zurzeit deutlich zu gering, „aber wir wissen nicht, wie lange hohe Zuweisungszahlen anhalten“. Aufklärung erhofft sich der Bürgermeister vom Flüchtlingsgipfel, zu dem sich Bund und Länder am 24. September treffen. Bisher zahlte die Stadt 40 Prozent des Gesamtaufwands. 2016 würden 25, im Jahr darauf 42 Millionen Euro „originär kommunale Mittel“ für Unterbringung und Betreuung nötig. Außerdem insgesamt 109,5 Millionen Euro für neue Systembauten. „Es ist Aufgabe des Bundes, die Flüchtlingsunterbringung vollständig und dauerhaft zu finanzieren“, so Föll. Die Zahl der Stellen in der Stadtverwaltung wird bis Ende 2017 um rund 520 auf dann rund 10 500 zunehmen. Allein 339 Kräfte werden in Kindertagesstätten gebraucht, 84 für Flüchtlingsbetreuung, 36 für das Parkraummanagement. Insgesamt 2,8 Milliarden Euro sollen im Ergebnishaushalt (laufendes Geschäft ohne Investitionen) 2016 bewegt werden, im Jahr darauf bereits 2,9 Milliarden. Bis Ende 2017 sind Investitionen von rund 750 Millionen Euro (mit laufenden Projekten) geplant. Bis Ende 2017 sollen 26 Kitas neu gebaut oder saniert werden, in 25 soll das Angebot verbessert werden, so dass 517 neue Plätze für bis zu dreijährige und 272 Plätze für drei- bis sechsjährige Kinder entstehen. Bis 2020 soll es außerdem 20 neue Ganztagsschulen geben, bis Ende 2017 werden Schulbauten für 50 Millionen Euro saniert. Der Kreditbedarf liegt bei 251,7 Millionen. Die Visionen von OB Kuhn sehen außerdem 3,6 Millionen Euro und drei Stellen mehr für Radwege sowie 1,76 Millionen Euro für Bäume und Sträucher an stark befahrenen Straßen vor. „Das ist keine Mode, wir sind dem Kampf gegen den Feinstaub verpflichtet“, sagt Kuhn, der auch E-Taxen mit 192 000 Euro fördern will. In den Ausbau der Integrierten Verkehrsleitzentrale fließen außerdem 2,6 Millionen Euro.