Schlossplatz, Fernsehturm, Automuseen, Mineralbäder: Stuttgart hat viele Sehenswürdigkeiten, und die sollen sich an der Autobahn Werbetafeln teilen. Das wollen die Verantwortlichen aber nicht. In unserer Bildergalerie haben wir Entwürfe unseres Grafikers Yann Lange zusammengestellt, die allerdings bisher nur hier existieren. Es deutet aber alles darauf hin, dass ­Schilder in den gezeigten ­Kombinationen nie aufgestellt werden. Foto: dpa, PPfotodesign

Stuttgart, deine Attraktionen. Wer sich der Landeshauptstadt auf Bundesfernstraßen nähert, erfährt darüber wenig bis nichts. Ein Vorstoß, an den Autobahnen 8 und 81 per touristische Hinweistafeln für die Landeshauptstadt zu werben, droht zu scheitern – an Eitelkeiten der Beteiligten und an der Regelungswut von Landesbeamten.

Stuttgart - Der Schlossplatz – schönstes Stadtzentrum Deutschlands – , die Mineralquellen – ergiebigere sprudeln nur in der ungarischen Hauptstadt Budapest –, die Wilhelma – weltweit einzigartig in der Kombination aus zoologischem und botanischem Garten: Die täglich rund 140.000 Autofahrer auf den Autobahnen rund um Stuttgart sollen von möglichst vielen Touristenattraktionen in der Landeshauptstadt erfahren, hat sich Achim Dellnitz gedacht. Der Stuttgarter Touristikdirektor trommelte, inspiriert durch die Berichterstattung unserer Zeitung, ein Jahr lang bei Behörden und Partnern dafür. Es geht und ging ihm dabei um jene braunen Schautafeln, die an Autobahnen auf Sehenswürdigkeiten hinweisen.

Derzeit existieren zwei Fingerzeige auf das Schloss Solitude an der A 81. Dellnitz würde gerne mehr dieser typischen Hinweisschilder an der A 8 und der A 81 aufstellen. Bis zu acht davon hatte er im Sinn. „Aber ich habe nicht geahnt, wie viel Arbeit und Abstimmungsprozesse dieses Thema in sich birgt“, so der Stuttgart-Werber vielsagend.

Ergebnis vieler Gespräche ist ein Vorschlag des baden-württembergischen Verkehrsministeriums: Die Landesbehörde möchte nicht mehr als vier Tafeln mit jeweils zwei ihrer Ansicht nach thematisch verwandten Motiven aufstellen. Eine Sprecherin bestätigt die Kombinationen Schlossplatz/Fernsehturm, Mercedes-Benz Arena/Mercedes-Benz-Museum, Wilhelma/Mineralquellen und Schloss Solitude/Porsche-Museum. Dies müsse aber noch „mit den Beteiligten abgestimmt werden“, so eine Ministeriumssprecherin. Intern sind die Kombinationen offenbar gesetzt.

Höchst sensible Angelegenheit

Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten wird es allenfalls eine Tafel mit dem Schlossplatz in Kombination mit dem Fernsehturm geben. Wer nachfragt, erhält den Eindruck, dass die Angelegenheit höchst sensibel ist und dass vor allem die beteiligten Institutionen und Einrichtungen ein Hinweisschild für sich alleine beanspruchen. Warum das so ist, könnte ein Blick zurück erklären.

Bevor Dellnitz versuchte, das Thema konzeptionell anzugehen, wurden in der Region braune Hinweistafeln eher nach dem Prinzip Zufall aufgestellt. Gängige Praxis war, dass eine Institution beim Regierungspräsidium (RP) einen Antrag stellt und die Behörde den Daumen hebt oder senkt. Im April 2012 hatte sich deshalb Wilhelma-Direktor Dieter Jauch in den Stuttgarter Nachrichten darüber beklagt, dass er dreimal mit einem Schilderantrag für den Stuttgarter Zoo abgeblitzt sei. Die Wilhelma sei keine kulturhistorisch bedeutsame Einrichtung, lautete damals sinngemäß die Begründung. Jauch wollte nicht einleuchten, dass die Wilhelma dieses Kriterium nicht erfüllt, die Mineralquellen dafür sehr wohl. Fürs Cannstatter Sauerwasser war bereits eine Hinweistafel genehmigt, die bis heute nicht aufgestellt wurde.

Touristikdirektor Dellnitz sah in der Debatte die Chance auf einen großen Wurf – mit dem er nach derzeitigem Stand scheitert. Doch als Totengräber der Idee möchte sich keiner brandmarken lassen, vor allem nicht, indem man Ansprüche auf eine Tafel für sich alleine formuliert. Ein Murren gegen den Vorschlag des Ministeriums gibt es nur inoffiziell. Ein Sprecher des Mercedes-Benz-Museums räumt ein, dass man zwei Motive auf einer Tafel „kritisch sieht“. Man hege dabei „keine Ressentiments gegenüber anderen“, mit denen man womöglich in einem Atemzug genannt werde. Vielmehr könnten zu viele Informationen auf einem Schild Autofahrer vom Verkehrsgeschehen ablenken.

Fernsehturm soll auf Hinweistafel

Dellnitz verhehlt nicht, dass er im Lauf des Jahres „Federn lassen musste“. Die erste Euphorie durfte einer gewissen Ernüchterung gewichen sein, als klar war: Die Schilder müssen nicht nur einer bundesweit einheitlichen Richtlinie entsprechen, sondern zusätzlich Kriterien erfüllen, die das Land ergänzend fordert. Sechs oder acht Schilder waren den Beamten im Ministerium und im RP offenbar zu viel.

Ob die Schilder noch eine Chance haben, „hängt auch mit der Frage der Kosten zusammen“, heißt es im Verkehrsministerium. Gestaltung, Herstellung und Montage einer Tafel kosten rund 10.000 Euro. Diese Summe mal vier könne er gar nicht komplett aus dem Etat von Stuttgart-Marketing bestreiten, sagt Dellnitz. Wer die Schilder will, muss sie auch bezahlen, heißt es dazu im RP.

Der Fernsehturm soll – obwohl auf nicht absehbare Zeit für Touristen geschlossen – übrigens auf jeden Fall auf eine Hinweistafel drauf. „Den Turm selber gibt es ja weiterhin“, so die Ministeriumssprecherin.