Frank Schmidt (1. FC Heidenheim), Jürgen Kramny (VfB Stuttgart II) und Massimo Morales (Stuttgarter Kickers) im Cockpit des Motorflugzeugs Aircraft DA 40 der Fliegergruppe Wolf Hirth auf dem Kirchheimer Flugplatz Hahnweide: Nach dem Fototermin äußerten sich die Trainer der württembergischen Fußball-Drittligisten im Interview über die an diesem Freitag beginnende Saison Foto: Pressefoto Baumann

Zeit für einen Rundflug von der Kirchheimer Hahnweide aus blieb leider keine mehr. Die Trainer der württembergischen Fußball-Drittligisten blieben beim traditionellen Treffen mit den StN vor dem Saisonstart auf dem Boden. Das gilt auch für die Zielsetzung der Stuttgarter Clubs Kickers und VfB II.

Stuttgart - Zeit für einen Rundflug von der Kirchheimer Hahnweide aus blieb leider keine mehr. Die Trainer der württembergischen Fußball-Drittligisten blieben beim traditionellen Treffen mit den Stuttgarter Nachrichten vor dem Saisonstart auf dem Boden. Das gilt auch für die Zielsetzung der Stuttgarter Clubs Kickers und VfB II.

Meine Herren, hat einer von Ihnen Angst vor dem Höhenflug?
Morales: Also in der Maschine, in der wir vorher saßen, würde ich nicht mitfliegen. Die wäre mir zu klein. Kramny: Ich hätte gegen einen Rundflug über die schöne Teck nichts einzuwenden.
Herr Schmidt, bei Ihrer Elf ging am letzten Spieltag der vergangenen Saison offenbar die Furcht vor dem sportlichen Höhenflug um.
Schmidt: Ich wollte einfach bei diesem Treffen wieder dabei sein. Nein, im Ernst: Wir sind tatsächlich am 18. Mai mit dem 0:0 gegen Kickers Offenbach unsanft gebremst worden. Wir hatten eine sensationelle Rückrunde hinter uns. Und dann das. Keiner konnte es begreifen. Wir hätten liebend gerne die Relegationsspiele zur zweiten Liga gegen Dynamo Dresden bestritten.
Herr Morales, unter Ihnen erlebten die Kickers einen Höhenflug mit Happy End.
Morales: Stimmt, das war eine große Leistung und am Ende ein tolles Erlebnis für uns alle. Aber unsere aktuelle Zielsetzung hat mit einem Höhenflug nichts zu tun. Wir müssen ganz fest auf dem Boden bleiben. Einen Höhenrausch bekommt bei uns keiner.
Präsidiumsmitglied Guido Buchwald wünscht sich zehn Punkte mehr als vergangene Saison und eine Platzierung vor dem VfB II.
Morales: Er wünscht sich das, weil er kein Herzschlagfinale wie am 18. Mai in Darmstadt erleben will. Ich wünsche mir das auch, weil ich einen leistungsbezogenen Vertrag habe und Punkteprämie erhalte (lacht). Kramny: Zum Thema Höhenflug fällt mir ein: Wer hoch steigt, kann tief fallen. Uns kann das nicht passieren. Wir haben wie immer ein sehr junges Team, das organisch wächst. Morales: Mit einem 27-jährigen Stürmer als Neuzugang, der 18 Tore erzielt hat. Kramny: Wir haben Marco Grüttner von euch geholt, damit wir künftig die Derbys gewinnen (Anm. d. Red.: Vergangene Runde siegten die Blauen mit 4:1 und 3:0, Grüttner erzielte insgesamt vier Tore).
Warum hat der 1. FC Heidenheim sich nicht um Grüttner bemüht?
Schmidt: Es stand relativ früh fest, dass er zum VfB II wechselt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir genau so einen Stürmertyp noch suchen. Kramny: Marco ist für uns ein Riesengewinn. Er hebt das Trainingsniveau an, er geht voran und reißt alle mit. Zusammen mit den Routiniers Daniel Vier und Tobias Rathgeb bildet er eine ganz entscheidende Achse.
Herr Morales, waren die Heidenheimer Stürmer-Abgänge Marco Sailer und Andreas Spann für Sie kein Thema?
Morales: Ich kenne diese Spieler nicht genau und habe die Stürmer verpflichtet, die ich gut kenne und die für uns zu finanzieren waren.
In vier Vorbereitungsspielen gelang den Blauen kein Tor, die Fans machen sich Sorgen um die Offensive.
Morales: Ich auch – aber nur, weil sich so viele Offensivspieler mehr oder weniger gleichzeitig verletzt haben. Denn völlig klar ist, treffsichere Stürmer sind wichtig, völlig egal in welcher Liga. Der FC Barcelona ist ohne Lionel Messi nur die Hälfte wert, genauso wie der VfB ohne Vedad Ibisevic. Kramny: Wenn du keinen Knipser hast, der mindestens zehn Saisontore erzielt, spielst du in keiner Liga eine gute Rolle. Schmidt: Einspruch. Unser torgefährlichster Stürmer war Michael Thurk mit neun Treffern. Kramny: Dafür hat euer Marc Schnatterer als Mittelfeldspieler 16-mal getroffen.
Er war von Vereinen wie dem FC Augsburg, dem KSC und RB Leipzig heiß umworben. Wird Ihr überragender Mann definitiv bleiben?
Schmidt: Ja, Marc hat das Amt des Kapitäns wieder angenommen und sieht seine Zukunft in Heidenheim.

„Die dritte Liga eine hochattraktive Spielklasse“

Herr Kramny, wie häufig wird das VfB-Toptalent Timo Werner für Ihre Drittligaelf stürmen?
Kramny: Da werden wir uns nicht festlegen. Klar ist, dass der Junge ein Riesenpotenzial hat. Was man nicht vergessen darf: Er dürfte eigentlich noch zwei Jahre für die A-Junioren am Ball sein.
Wer sind Ihre Aufstiegsfavoriten?
Kramny: Ich habe Preußen Münster, den 1. FC Heidenheim, Aufsteiger RB Leipzig und den Chemnitzer FC auf der Rechnung.
Morales: Mein Geheimtipp ist Chemnitz, aber Leipzig, Münster und natürlich Heidenheim werden alles probieren, um den Aufstieg zu schaffen. Schmidt: Es ist jedes Jahr dasselbe Spielchen: Es wird auf die Abschlusstabelle der vergangenen Saison geschaut und auf die Zweitliga-Absteiger, wobei der MSV Duisburg und Jahn Regensburg diesmal nicht ganz oben zu erwarten sind. Was uns betrifft: Wir sind so selbstbewusst, um zu sagen, an uns führt kein Weg vorbei.
Und wenn es mit dem inzwischen auf acht Millionen Euro angewachsenen Gesamtetat wieder nicht klappt, droht der große Knall?
Schmidt: Der Etat steigt, weil wir gute Arbeit machen. Unser Zuschauerschnitt lag bei 8000. Wir haben jetzt schon wieder über 5000 Dauerkarten für die neue Saison verkauft. Wir investieren in den Ausbau derVoith-Arena, bauen ein Nachwuchsleistungszentrum und sind breit aufgestellt.
Stimmt es, dass der Aufsichtsratschef Hans Kahlich am 1. Juni zurückgetreten ist, weil ihm das Risiko zu hoch geworden ist?
Schmidt: Ich bin Trainer, dazu kann ich nichts sagen.
Auch bei den Kickers wurde der Vereinsetat von 4,5 Millionen Euro auf fünf Millionen Euro erhöht. Hätte sich dies nicht stärker auf das Gesicht der Elf auswirken müssen?
Morales; Der Etat für die Mannschaft beträgt nur 2,5 Millionen Euro (Anm. d. Red.: gegenüber 2,1 Millionen im Vorjahr). Und ich arbeite mit dem, was mir der Verein zur Verfügung stellt.
Was trauen Sie den Kickers zu?
Schmidt: Die Erfahrung, die die Mannschaft in der vergangenen Saison gesammelt hat, wird ihr guttun. Kleinigkeiten werden wieder entscheiden: 80 Prozent der Spiele werden mit einem Tor Unterschied entschieden. Kramny: Die Endphase der vergangenen Saison war sehr positiv für den ganzen Verein Kickers. Die Neuen kann ich schlecht einschätzen. Ich denke aber, dass sie in der Defensive auf jeden Fall stärker sein werden.
Viele Vereine sehen die dritte Liga als Pleiteliga – Sie auch?
Schmidt: Nein. Die Mentalität vieler Clubvertreter ist leider oftmals, erst zu jammern und dann nachzudenken. Für mich ist die dritte Liga eine hochattraktive Spielklasse. Morales: Natürlich gibt es hier nur rund 700 000 Euro Fernsehgelder und nicht 4,5 bis 9 Millionen wie eine Etage höher. Aber die Atmosphäre in den Stadien ist doch hervorragend. Die dritte Liga in Deutschland ist viel besser als die vergleichbare Klasse in Spanien oder Italien. Nur an die League One in England kommt die deutsche dritte Liga nicht ran. Da kommen bei Play-off-Spielen 65 000 Zuschauer ins Wembley-Stadion. Grundsätzlich müsste der DFB die dritte Liga besser unterstützen. Davon würden auch Bundesliga und zweite Liga profitieren.
Finanziell?
Morales: Nicht nur. Ein Verband braucht eine starke dritte Liga, da ist es kontraproduktiv, dass Spieler aus Nicht-EU-Ländern nicht zum Einsatz kommen dürfen. Mit Brasilianern oder Argentiniern wäre die dritte Liga weitaus attraktiver. Schmidt: Ich finde die Regelung, dass vier U-23-Spieler auf dem Spielberichtsbogen stehen müssen, die für eine Auswahlmannschaft des DFB spielberechtigt sind, auch nicht besonders glücklich. Kramny: Bei uns müssen ja bis auf drei Routiniers alle Spieler unter 23 Jahre alt sein. Für diese Jungs ist die dritte Liga das ideale Sprungbrett für höhere Ziele. Mit 17, 18 Jahren vor 15 000 Zuschauern in Osnabrück zu spielen – das ist einfach perfekt.
Das sind zweitligareife Kulissen. Herr Morales, träumen Sie vom Aufstieg mit den Kickers?
Morales: Da müsste ich betrunken sein (lacht). Nein, wir müssen uns in der dritten Liga etablieren. Ich arbeite bei den Kickers mit sehr vernünftigen Leuten zusammen, die das genauso sehen. Mittel- oder langfristig kann man über alles reden.
Beim FCH sollte es schneller gehen.
Schmidt: Ich hätte nichts dagegen. Kramny: Dann kannst du ja zu unserem Treffen nächstes Jahr nicht mehr kommen. Schmidt: Wenn ich eingeladen werde, komme ich trotzdem gerne. Steht der Ort schon?
Wir lassen uns etwas einfallen.