Ein unabhängiger Experte für Brandschutz soll die Lösung für den geschlossenen Fernsehturm aufzeigen. Foto: Leserfotograf bdslucky48

Wo nachts bisher die beleuchtete Kanzel des Fernsehturms leuchtete, ist der Himmel über Stuttgarts Talkessel jetzt dunkel. Der Südwestrundfunk hat die Lichter des gesperrten Turms abgestellt. Ein externer Brandschutzsachverständiger soll klären, ob Stuttgarts Wahrzeichen wieder öffnen kann.

Stuttgart - Fünf Tage, nachdem Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Stuttgarter Fernsehturm wegen Mängeln beim Brandschutz für Besucher sperren ließ, ist am Dienstag die Suche nach Lösungsmöglichkeiten in Gang gekommen. Auf der Fachebene verständigten sich Vertreter des Südwestrundfunks (SWR) und der Stadt Stuttgart bei einem ersten Krisengespräch, dass man Kuhn und dem SWR-Intendanten Peter Boudgoust die Einschaltung eines externen Brandschutzsachverständigen vorschlagen will. Im Auftrag des SWR, dem der Fernsehturm gehört, soll dieser Gutachter klären, ob sichere Rettungswege geschaffen werden können, damit Turmbesucher notfalls einem Brand entkommen könnten. Das gut zweistündige Gespräch am und im Fernsehturm diente der Vorbereitung eines Gipfeltreffens am 9. April – dann wollen Kuhn und Boudgoust die Lage erörtern.

Siegfried Dannwolf, der Geschäftsführer des Turmbetreibers SWR Media Services, stellte bei dem Krisengespräch die Position des Senders dar: Man sei davon ausgegangen, dass man mit dem bisherigen Brandschutzkonzept die Sicherheit der Besucher gewährleistet habe. Die Stadt räumte ein, dass der SWR beim technischen Brandschutz wie etwa den Sprinkleranlagen die Anforderungen erfüllt habe. „Wir machten deutlich, dass nach unserer heutigen Beurteilung aber der bauliche Brandschutz nicht ausreicht“, sagte Andreas Scharf, der Sprecher der Stadt, auf Anfrage. Beim baulichen Brandschutz seien die Rettungswege gemeint. Wie ihre Verbesserung aussehen könnte, was sie kosten würde und wer sie bezahlen müsste, sei nicht erörtert worden, sagte Scharf. Bis das Gutachten vorliegen könnte, würden Wochen vergehen. Dann würde es aber bei der baulichen Veränderung erst losgehen, sagte Scharf.

Alt-OB Schuster waren Probleme nicht bekannt

Warum die Stadt gut 56 Jahre nach der Eröffnung des Fernsehturms plötzlich auf bessere Rettungswege pocht und nicht mehr nur auf technischen Brandschutz, blieb auch am Dienstag im Unklaren. Das soll aus den Akten von Baurechtsamt und Branddirektion „offen und schonungslos“ aufgearbeitet werden, erklärte Kuhn am vergangenen Donnerstag. Dannwolf kann den überraschenden Schwenk nicht nachvollziehen. Gerade wegen der Mängel beim baulichen Brandschutz habe man zuletzt 2011 stark in den technischen Brandschutz investiert. Die Chancen, dass der Fernsehturm jemals wieder für Besucher öffnet, stünden vielleicht „fifty-fifty“, meinte Dannwolf. Eine Prognose, wann dies frühestens wieder möglich sein könnte, traute er sich noch weniger zu. Sicher sei, dass der SWR beim Betrieb des Turms nicht drauflegen könne. Wenn eine schwarze Null nicht möglich wäre, müsse die Stadt sich finanziell engagieren, forderte Dannwolf. Im vergangenen Jahr habe die SWR Media Services durch Erlöse aus Eintrittskarten, Gastronomie und Veranstaltungsmieten rund 200 000 Euro Gewinn im Fernsehturm erzielt.

Bei dem Krisengespräch soll Dannwolf auch klargemacht haben, dass eine Finanzierung des Fernsehturmbetriebs durch Rundfunkgebühren schon rechtlich nicht möglich wäre.

Nicht nur beim SWR gibt es Unverständnis über die Haltung der Stadt. Die Stuttgarter CDU kritisierte ein „Kommunikationsdesaster“ in der Stadtverwaltung unter Kuhns Führung. Der Grund: Die Gastronomen im Turm und ihre Mitarbeiter hätten offenbar erst aus den Medien erfahren, dass der OB am vergangenen Mittwoch die Turmsperrung für Donnerstag ankündigte. Obwohl der Brandschutz einen hohen Stellenwert habe, müsse Kuhn sich fragen lassen, „ob eine derart überstürzte Schließung wirklich notwendig war“. Die Aufarbeitung der früheren Haltung der Stadtverwaltung und des Kurswechsels müsse gründlich sein und „keine rein interne Vergangenheitsbewältigung seitens des neuen Oberbürgermeisters“. Der frühere Leiter des Baurechtsamtes, Uwe-Carsten Bruhn, sagte auf Anfrage unserer Zeitung, er halte die früheren Genehmigungen der Turmöffnung nach wie vor nicht für falsch. Der Fernsehturm sei immer ein Bauwerk mit vielen Besonderheiten jenseits der Norm gewesen. Die Bewertung sei daher eine Ermessensentscheidung und als solche angemessen gewesen. Der frühere OB Wolfgang Schuster (CDU) sagte, „mir wurde in meiner Amtszeit nie von Sicherheitsdefiziten im Turm berichtet“.

Unterdessen sind die Lichter im Fernsehturm ausgegagnen. „Wir haben die Beleuchtung abgeschaltet“, bestätigt Dannwolf. Sein Argument: „Wir wollen Besuchern der Stadt nicht suggerieren, dass da eine Attraktion ist.“ Nur die roten Lichter für die Flugsicherheit bleiben selbstverständlich an.