Der Stuttgarter Fernsehturm ist für Besucher nicht mehr zugänglich Foto: Max Kovalenko

Oberbürgermeister verteidigt sein Vorgehen bei der Sperrung des Stuttgarter Fernsehturms – FDP vermisst Einbindung des Gemeinderats, hält die Probleme aber für lösbar.

Stuttgart - Fritz Kuhn hat den Stuttgarter Fernsehturm dicht gemacht – und nach einer Woche stürmischer Reaktionen ist der OB immer noch von der Richtigkeit überzeugt. Am Freitag trat Kuhn im Gespräch mit unserer Zeitung der unter anderem von der Stuttgarter CDU formulierten Kritik entgegen, er habe überstürzt gehandelt: „Das war keine Schließung Hals über Kopf.“ Kuhn erwähnte jetzt auch, dass er zwei oder drei Wochen vor der Ankündigung der Sperrung vorgewarnt worden sei: „Wir kriegen ein Problem.“ Er habe die Bürgermeister zu einer „genauen Aufarbeitung“ aufgefordert. Das Ergebnis wurde am 27. März intern diskutiert. Am 28. März hat Kuhn entschieden.

Laut Landesbauordnung, sagt der OB, müsste es im Turm mindestens einen abgetrennten Fluchtweg geben. Tatsächlich gebe es dort im Sinne der Bauordnung „gar keinen Fluchtweg für Besucher oben, wenn es im Turmschaft brennt“. Dass die Aufzüge nach wie vor funktionieren, sei nicht gesichert. Die Aufzugsseile könnten schmelzen. Die Treppe, die laut Baurechtsamt zu schmal ist und an der Engstelle des Schaftes unter dem Turmkorb eine Panik verursachen könnte, wäre möglicherweise beschädigt.

In Moskau kamen beim Brand des Fernsehturm vier Menschen ums Leben

Die jahrelang verfolgte Strategie, dass Besucher auf der Aussichtsplattform ausharren, bis sie mit dem Aufzug zur Erde gebracht werden können, hätte nach Kuhns Auffassung spätestens nach dem Brand eines Moskauer Fernsehturms im Jahr 2000 gründlich überprüft werden müssen. Damals wurden in Moskau vier Menschen getötet. Die Chronologie der früheren Entscheidungen und Nichtentscheidungen in Stuttgart lässt Kuhn derzeit aufarbeiten. Nachdem er über die neue Einschätzung der Stadtverwaltung über den Fluchtweg im Stuttgarter Fernsehturm informiert worden sei, habe jedenfalls eine „eindeutige Lage“ bestanden, sagt der OB. Wochen- oder monatelang zu warten, bis möglicherweise ein ausreichender Fluchtweg geschaffen ist, sei nicht in Frage gekommen: „Ermessensspielraum hätte ich nur gehabt, wenn die Grundstruktur im Turm stimmt, aber die stimmt nicht.“ Zu den Gastronomen und Theaterschaffenden im Turm habe nicht die Stadt direkte Beziehungen, sondern der Südwestrundfunk, dessen Tochter SWR Media Services am 18. März einen Hinweis auf sich anbahnende Probleme erhalten haben soll.

Einen Hinweis, dass im Turm eine Panik entstehen könnte, habe schon der 7. September 1982 geliefert, sagt Kuhn. Damals sei der Aufzug mit 30 Menschen festgesteckt. Die Feuerwehr habe die Betroffenen beruhigen und mit Steckleitern evakuieren, später mittels eines Aufzugs im Notbetrieb rund 100 Menschen von der Plattform holen müssen. Aber damals habe es nicht gebrannt. „Auch ich will, dass unser Turm wieder aufgemacht wird“, sagt Kuhn, „das könnte aber schwieriger werden als man denkt.“

„Es müssten beispielsweise freiliegende Kabelstränge eingehaust und die Fahrstühle feuersicher gemacht werden“, meint FDP-Fraktionschef Bernd Klingler. Der Turm müsse als Ausflugsziel erhalten werden. Bei aller Emotionalität der Diskussion solle man aber bedenken, dass es zunächst um den Schutz von Menschen gehe. Kuhns Stabsstelle habe es allerdings versäumt, die Betroffenen früher zu warnen und den Gemeinderat wirklich einzubinden.

Auch Roland Ostertag vom Architekturforum Baden-Württemberg denkt, dass eine Lösung gelingen kann – „aber nur durch einige machbare Maßnahmen und eine Ausnahmegenehmigung“. Die habe es auch bisher gegeben. Daher versteht er die Aufregung nicht. Vom Gebäude selbst rühre sie nicht her.