Entwurfskizze von Anton Stankowski für das Zeichen der Deutschen Bank Foto: st

Wie die Grafikdesigner Kurt Weidemann und Anton Stankowski mit Schriften und Formen unsere Wahrnehmung prägten.

Wie die Grafikdesigner Kurt Weidemann und Anton Stankowski mit Schriften und Formen unsere Wahrnehmung prägten.

1992 lädt der Bahn-Vorstand führende deutsche Grafiker für einen Wettbewerb zur Überarbeitung des DB-Zeichens ein. Ziel: Das 1955 eingeführte Signal-Zeichen der Deutschen Bundesbahn sollte nach getaner Grafiker-Arbeit für die Ziele der Deutschen Bahn AG stehen, in der zum 1. Januar 1994 die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn aufgehen. Soll heißen: Das Zeichen sollte die Fähigkeit der „neuen Bahn“ symbolisieren, die ökonomischen und ökologischen Herausforderungen der Zeit zu bewältigen.

Der Zuschlag geht nach Stuttgart – an Kurt Weidemann. Er überzeugt den Bahn-Vorstand mit einer auf den ersten Blick einfachen Lösung – aus dem etwas behäbig wirkenden, in Detail-Rundungen verliebten Zeichen von 1955 ist das nüchterne Beieinander eines sachlichen, neutralen D und B geworden. In Weidemanns Worten: „Die kosmetische Operation hat das Zeichen entfeminisiert und entfettet – der übergewichtige deutsche Bundesbürger ist passé.“

Als „Ist“ notierte Weidemann über das alte Zeichen: „Hohe feminine Anmutung (Rundformen, insgesamt 28 Bogen!). Verhältnis Buchstaben-Raumanspruch zum Umfeld disproportioniert (zu Ungunsten der Buchstaben). Alle Bogen zu weich.“ Und dieses „Soll“ hatte er sich selbst zur Vorgabe gemacht: „Straffung, Aufrichtung, Schlankung. Verbesserung der Erkennbarkeit (Lesbarkeit) in kleinen Größen. Optische Verschmälerung bei Beibehaltung der Außenkontur.“

"Ohne irritierenden Bruch wurde das bisherige, sehr bekannte DB-Zeichen weiterentwickelt"

Die großen Folgen der kleinen Änderungen: Das überarbeitete DB-Zeichen ist in jeglicher Produktion billiger. So kostet der Sticker statt bisher 79 Cent nach Weidemanns Überarbeitung 48 Cent, die Leuchtkästen können um 20 Prozent verkleinert werden, und für die Hauptverwendung, den Druckbereich, wird wesentlich weniger teure Siebdruckfarbe benötigt. Den schlichten Charakter seines Entwurfs erklärt Kurt Weidemann seinerzeit nicht nur mit ökonomischen Gesichtspunkten und dem seiner Arbeit als „Berater“ eigenen Hang zur grafischen Klarheit, sondern auch mit der Nutzanwendung: „Das Zeichen kann unauffällig sein, weil es nur im Zusammenhang mit Primärmerkmalen auftaucht – in Bahnhöfen, auf Loks oder in Zusammenhang mit dem Schriftzug Deutsche Bahn.“

Offiziell wird das Deutsche-Bahn-AG-Firmenzeichen 1992 wie folgt angekündigt: „Das überarbeitete DB-Zeichen visualisiert den Neubeginn der beiden Staatsunternehmen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn als modernes Dienstleistungsunternehmen ,Deutsche Bahn‘ in der Form einer Aktiengesellschaft. Ohne irritierenden Bruch wurde das bisherige, sehr bekannte DB-Zeichen weiterentwickelt.“ Am 1. Januar 1994 wird das Weidemann-DB flächendeckend eingeführt: Wertarbeit aus einem Stuttgarter Ein-Mann-Büro.

Im gleichen Jahr erscheint im Stuttgarter Verlag Hatje Cantz Weidemanns Bekenntnisbuch „Wo der Buchstabe das Wort führt“. Darin heißt es: „Bei allem Eifer herauszufinden, was alles menschenmöglich ist, vergessen wir zu suchen, was menschlich ist. Das Buch zeigt die Größen und Grenzen von Schrift und Gestaltung vor einem Abgleiten in die Verlustzonen der Unkenntnis. Typografische Bedenkenlosigkeit und Ahnungslosigkeit sind keine ,Freiheit der Gestaltung‘, sondern Mangel an Erkenntnis, Kritik und Verantwortung.“ Darin steckt auch ein Stück Bitterkeit.

„Es gibt keine Eindeutigkeit – schon von der Haltung her“, sagt Weidemann einmal unserer Zeitung. „Und da komme ich noch einmal auf Mercedes. Wenn sie eine falsche Schraube einbauen, rufen sie 200 000 Autos zurück, dann aber verändern sie die Schrift in einer Weise, die an einem Totalschaden knapp vorbeigeht.“ Von 1985 bis 1989 hatte Weidemann für die damalige Daimler-Benz AG die Schriftenfamilie Corporate A-S-E als Hausschrift entwickelt, in der Folge aber das Aufweichen seiner Entwürfe registriert.

Das Zeichen von Stankowski hat bis heute Bestand

Bis heute Bestand hat das Zeichen, das Anton Stankowski 1974 für die Deutsche Bank entwickelt. „Maler verdient mit fünf Strichen 100.000 Mark“, titelt die „Bild“-Zeitung seinerzeit. Und als Konzentrat seiner malerischen Bildwelten ist Stankowskis weltweit berühmt gewordene Diagonale im blauen Quadrat tatsächlich zu sehen.

Bei ihm, sagt der in Gelsenkirchen geborene Bergmannssohn Stankowski, gebe es keine Abstraktion. Das Geschaute werde wohl abstrahiert, vereinfacht, womöglich auch in ein Zeichen überführt. Dies sei indes Konkretisierung – Ergebnis des Leitsatzes „Vereinfachen, versachlichen und vermenschlichen“. In der Kunst, die er im Verbund der Züricher Konkreten um Max Bill und Richard Paul Lohse bereits in den späten 1920er Jahren mit prägt, bemerkt er knapp, würden sowieso zu viele Worte gemacht.

Wie früh kann man das präzise Sehen lernen? Anton Stankowskis vielleicht schönstes Buch heißt schlicht „Gucken“ (Edition Hoffmann, Friedberg, 28 Euro) und ist für „erwachsene Kinder“ gedacht, „die ihr Erwachsensein gerne mit Kindern teilen“. Begriffe, Ereignisse und Hoffnungen nehmen darin die Gestalt geometrischer Farbformen an. Sie stehen gelassen im Raum, lassen sich doch aus der Ruhe bringen und purzeln schließlich wild durcheinander. Stets aber bleiben die Bildfindungen präzise, betonen sie aus sich heraus das Moment des Notwendigen. Kurz: Der Kampf gegen übergewichtige Zeichen und Schriften kann nicht früh genug begonnen werden.