Auf Aufholjagd: Daimler-Chef Dieter Zetsche präsentiert in Paris die Studie EQ. Foto: AP

Die Debatte über Zulassungsstopps von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren macht die Frage, wo Daimler künftig seine E-Autos fertigt, drängender. Auch in Sindelfingen will der Automobilkonzern mit dem Stern künftig E-Autos herstellen.

Sindelfingen - Am Daimler-Standort in Sindelfingen sollen künftig nicht nur Autos mit Verbrennungsmotoren vom Band laufen, sondern auch Elektrofahrzeuge. So sieht es eine Absichtserklärung vor, die der Daimler-Konzern mit dem Sindelfinger Betriebsrat abgeschlossen hat: „Es ist Absicht und Bestreben, Elektrofahrzeuge in den Produktionsprozess wettbewerbsfähig zu integrieren und den Standort Sindelfingen an der Elektrostrategie teilhaben zu lassen, um mögliche zukünftige Substitutionseffekte auszugleichen“, heißt es in dem Papier. Eine ähnliche Vereinbarung habe der Konzern auch mit dem Bremer Werk getroffen, sagte der dortige Betriebsratsvorsitzende Michael Peters.

Angesichts der Diskussionen über Zulassungsstopps für Verbrennungsmotoren nehmen in den Belegschaften der Autohersteller die Sorgen zu: Was passiert mit den Menschen, die heute Autos mit Verbrennungsmotoren bauen? Wer wird die Fahrzeuge produzieren, die die deutschen Autohersteller nun eilig vorgestellt haben?

Erstes reichweitenstarkes Elektrofahrzeug in Paris präsentiert

Daimler hatte auf dem Autosalon in Paris im September sein erstes reichweitenstarkes Elektrofahrzeug präsentiert. Es soll der Vorbote sein für eine ganze Produktfamilie unter der Submarke EQ – und Ende des Jahrzehnts auf den Markt kommen. Offiziell hat das Unternehmen noch keine Informationen zu den Produktionsmodalitäten veröffentlicht. Nur so viel: „Die ersten Serienmodelle unserer neuen Generation von Elektrofahrzeugen werden innerhalb unseres bestehenden Produktionsnetzwerks mit Standorten auf vier Kontinenten produziert.“ Aktuell arbeite Daimler an der Umsetzung der sogenannten Zukunftsbilder für die einzelnen Werke – und sei insofern in ständigem Austausch mit den Arbeitnehmervertretern. Bis 2025 wollen die Stuttgarter mehr als zehn reine Elektrofahrzeuge anbieten, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche in Paris. Der Anteil der Elektroautos an allen verkauften Modellen weltweit soll bis dahin bei 15 bis 25 Prozent liegen. Im vergangenen Jahr verkaufte Daimler weltweit insgesamt knapp zwei Millionen Fahrzeuge aller Antriebsarten.

Ein SUV mit der internen Bezeichnung N 293 soll in Bremen vom Band laufen

Als sicher gilt im Unternehmen bereits, dass das erste reichweitenstarke Elektroauto – ein SUV mit der internen Bezeichnung N 293 – in Bremen vom Band laufen soll. Die Entscheidung wird in Kürze erwartet. In dem schon jetzt mehr als ausgelasteten Werk werden allerdings bereits die entsprechenden Vorbereitungen getroffen. Der E-SUV ist zwar an den sportlichen Geländewagen GLC, der in Bremen vom Band läuft, angelehnt, grundsätzlich will Daimler für seine Elektrofamilie aber eine eigene Architektur entwickeln; dadurch entsteht in Bremen Bedarf an zusätzlichen Anlagen. Ausgelegt ist Bremen für ein Produktionsvolumen von höchstens 330 000 Einheiten. Doch bereits die Planung für 2016 geht von 400 000 produzierten Fahrzeugen aus. In den nun stattfindenden Gesprächen geht es darum, wie die E-Fahrzeuge in die vorhandenen Produktionsstrukturen in Werken wie Bremen und Sindelfingen integriert werden können. Denn anders als andere Hersteller hat sich Daimler nicht dazu entschieden, seine Elektrofahrzeuge zentral an einen Standort anzusiedeln – was bei den Betriebsräten der einzelnen Werke naturgemäß gut ankommt. „Der Betriebsrat des Mercedes-Benz-Standorts Sindelfingen unterstützt die Daimler-Strategie, die eine erhebliche Erweiterung des Angebots an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen vorsieht“, teilte der Betriebsrat mit. Es werde erwartet, dass der Standort Sindelfingen als Kompetenzzentrum für Fahrzeuge der Luxus- und Oberklasse und als zentraler Entwicklungsstandort des Unternehmens daran klar partizipiert.

„Der Standort Sindelfingen ist hervorragend für das Thema Elektrifizierung aufgestellt“, sagte Ergun Lümali, der Betriebsratsvorsitzende in Sindelfingen. „Wir wollen, dass nicht nur die Entwicklung, sondern auch die Produktion von Elektrofahrzeugen in unser Werk integriert wird.“

Daimler-Betriebsrat sieht in der Elektrostrategie des Konzerns viele Chancen

Insgesamt sieht der Daimler-Betriebsrat in der Elektrostrategie des Konzerns viele Chancen, aber auch Risiken, „zum Beispiel durch die gegenüber Verbrennungsmotoren geringeren Fertigungsumfänge bei elektrifizierten Antrieben“, so Lümali. „Vor allem bei der Fertigung der Aggregate liegen darin Beschäftigungsrisiken.“ Daher gelte es, die für die Elektromobilität erforderlichen Kompetenzen innerhalb des Unternehmens zu halten und auszubauen, sagte Lümali.

Nach Angaben von Wolfgang Nieke, dem Betriebsratschef in Untertürkheim, wo Daimler Motoren, Getriebe und Achsen fertigt, sind auch dort die Gespräche zwischen der Werkleitung und dem Betriebsrat über die Zukunftsfähigkeit des Standortes angelaufen. „Dabei spielt die Produktion der zukünftigen Antriebskomponenten eines elektrischen Antriebes, bis hin zur Batterietechnologie, eine wesentliche Rolle“, sagte Nieke unserer Zeitung.