Ein zwölfjähriger Junge ist am Dienstagabend von einer Argentinischen Dogge angefallen und durch Bisse verletzt worden. Der Hundehalter hatte sein Tier bei einem Spielplatz in Wangen frei laufen lassen. Er muss mit einer Anzeige rechnen, der Hund ist jetzt im Tierheim.
Stuttgart - Eine nicht ganz reinrassige Argentinische Dogge hat am Dienstagabend gegen 19.50 Uhr in Wangen einen zwölfjährigen Jungen angegriffen und zwei Mal in Gesäß und Oberschenkel gebissen. Der Junge wurde bei der Attacke erheblich verletzt. Nach der Erstversorgung durch Rettungssanitäter wurde er in ein Krankenhaus eingeliefert.
Nach bisherigen Ermittlungen der Polizei hatte der 47-jährige Hundehalter den Rüden an einem offiziellen Hundeklo am Spielplatz in der Helfensteinstraße von der Leine gelassen. Das Tier nutzte die Gelegenheit, sprang über einen Zaun und rannte auf den Zwölfjährigen auf dem Spielplatz zu. Als der Junge vor Schreck zu schreien begann, habe der Hund zugebissen, berichtet die Polizei.
Die in Wangen alarmierten Polizeibeamten stellten die Personalien des Hundehalters fest und leiteten eine Anzeige wegen Körperverletzung ein. Seinen Hund durfte der 47-Jährige am Dienstagabend mit nach Hause nehmen. Keine 24 Stunden später erließ das städtische Ordnungsamt jedoch eine Haltungsuntersagung. Das Tier wurde unmittelbar bei seinem Halter beschlagnahmt und ins Tierheim gebracht.
Halter und Hund waren bereits aktenkundig beim Ordnungsamt
Nach Informationen unserer Zeitung waren beide – Halter und Hund – bereits aktenkundig beim Ordnungsamt. Angeblich hatten sich Bürger darüber beschwert, dass das Tier allzu viel Bewegungsspielraum in der Öffentlichkeit genieße. Eine eventuelle Vorgeschichte habe bei der behördlichen Intervention aber keine Rolle gespielt, betont Gerald Petri vom Ordnungsamt. „Bei einem derart gravierenden Vorfall untersagen wir die Haltung sofort“, sagt er.
Die Argentinische Dogge gehört zu denjenigen Hunderassen, die gemäß der Kampfhundeverordnung des Landes Baden-Württemberg wie echte Kampfhunde behandelt werden – sofern bei ihnen im konkreten Fall „Anhaltspunkte auf eine gesteigerte Aggressivität gegenüber Menschen oder Tieren“ festgestellt werden. Das heißt: Auch diese Tiere müssen in der Öffentlichkeit ab einem Alter von sechs Monaten immer an der Leine geführt werden und einen Maulkorb tragen. Außerdem benötigt der Eigentümer eine amtliche Erlaubnis zur Haltung des Tieres, die an strenge Auflagen geknüpft ist.
Ob die Dogge allerdings zu dem Zeitpunkt, als sie in Wangen den zwölfjährigen Jungen attackierte, bereits ein Kampfhund im Sinne des Gesetzes war oder nicht, könnte noch zum Gegenstand eines Rechtsstreits werden. Sofern sich der Hundehalter gegen die Wegnahme seines Tiers juristisch zur Wehr setzt.
„Beißvorfälle mit Kampfhunden spielen keine Rolle mehr“
Dass ein Hund aus der Gruppe der potenziellen Kampfhunderassen einen Menschen angreift, ist in Stuttgart seit langer Zeit die absolute Ausnahme. „Pro Jahr kommt es im Stadtgebiet zu 120 bis 140 Körperverletzungen durch Hundebisse“, sagt Peter Adomatt von der Hundeführerstaffel der Stuttgarter Polizei. „Beißvorfälle mit Kampfhunden spielen dabei keine Rolle mehr; das sind heutzutage nur noch Einzelfälle.“
Nachdem im Sommer 2000 in Hamburg zwei Kampfhunde einen sechsjährigen Jungen zu Tode gebissen hatten, wurden bundesweit die Gesetze verschärft mit dem erklärten Langzeitziel, dass es diese potenziell besonders gefährlichen Hunderassen eines Tages in Deutschland gar nicht mehr gibt. Dieses Ziel scheint mittlerweile in Stuttgart in realistische Nähe gerückt: Vor 13 Jahren gab es noch 400 Kampfhunde in der Stadt; womöglich waren es sogar 600. Ende 2012 waren es dagegen nur noch 63 Exemplare; aktuell sind es 59 Tiere. Das heißt nicht, dass die Stuttgarter keine Hunde mögen: Über alle Rassen hinweg leben derzeit rund 13 300 Hunde in der Landeshauptstadt.
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) hat im August 2012 bestätigt, dass es den Städten erlaubt ist, für Kampfhunde höhere Steuern zu erheben. In Stuttgart kostet ein Kampfhund – oder ein behördlich festgestellter und dem Kampfhund gleichgestellter „gefährlicher“ Hund – 612 Euro Hundesteuer im Jahr. Ein regulärer Hund kostet nur 108 Euro Steuern. Auch dieser Umstand dürfte seinen Teil dazu beigetragen haben, dass es immer weniger Kampfhunde gibt.
Für die Sicherheit der Bürger ist der Rückzug der Kampfhunde aber nicht unbedingt entscheidend. „Im Prinzip kann jeder Hund durch den Menschen aggressiv gemacht werden“, sagt Hundeführer Adomatt. Die Liste der 120 bis 140 Körperverletzungen durch Bisse würden klar von allerlei Mischlingshunden angeführt. „Es gibt einen Trend zur besseren Hundehaltung, den auch Medien verstärken“, sagt der Polizist. „Andererseits beobachten wir aber auch eine Gruppe von Hundehaltern, die ihre Tiere mit einer gewissen Nachlässigkeit halten.“