Enkeltrick in Stuttgart: Betrüger muss für vier Jahre hinter Gitter Foto: dpa

Verurteilter hat bei drei Opfern 15.500 Euro für angebliche Verwandte in Not abgeholt.

Stuttgart - Das Geschäft mit den falschen Verwandten, die telefonisch eine Notlage vortäuschen und bei betagten Opfern Tausende Euro ergaunern, funktioniert seit zehn Jahren - und floriert so gut wie nie. Statistisch werden beim sogenannten Enkeltrick pro Opfer 11.500 Euro erbeutet. Einer, der bei einer solchen Serie dabei war, wurde am Mittwoch vom Landgericht zu vier Jahren Haft verurteilt.

Sein Pech war es, mit seinen roten Haaren zu auffällig gewesen zu sein: Der 29-jährige Pole hatte zuletzt in Stuttgart im Oktober 2009 dreimal zugeschlagen, und die Opfer erkannten später auf Lichtbildvorlagen der Polizei den Mann wieder, dem sie ihr Geld anvertraut hatten. Der Verdächtige war eine Woche zuvor in Würzburg erwischt worden, wurde erkennungsdienstlich behandelt und dann mangels Beweisen laufen gelassen. Bei den Ermittlungen der Stuttgarter Kripo zogen sich die roten Haare wie ein roter Faden quer durch die Republik.

Am Mittwoch musste sich der 29-jährige Seweryn K. des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in elf Fällen vor der 16. Strafkammer des Landgerichts verantworten. Im September und Oktober 2009 hatte er als Kurier der Enkeltrick-Anrufer in den Landkreisen Fulda und Würzburg sowie in Stuttgart insgesamt 15.500 Euro abgeholt.

Geld abholen - ohne ein Wort Deutsch zu verstehen

Der Trick funktioniert: "Rate mal, wer am Telefon ist" - mit diesem Satz horcht der Anrufer, intern "Keiler" genannt, die Opfer aus, um sich sogleich als der vom Opfer genannte Enkel, Neffe, Cousin oder Schwiegersohn zu offenbaren. Bei dieser Variante kam ein Schockeffekt dazu: Der falsche Verwandte erklärte, dass er einen Unfall verursacht habe, was ein angeblicher Polizist am Telefon bestätigte. Die Angerufenen sollten dem Unfallgegner schnell ein paar Tausend Euro übergeben, damit der Verwandte seinen Führerschein behalten dürfe.

Seweryn K. hatte die Rolle des Geldabholers - und das ohne ein Wort Deutsch zu verstehen. Ein Unbekannter mit Spitznamen "Ksywa" habe ihm Fahrkarte und Handy besorgt, damit er mit dem Bus von Breslau nach Deutschland fährt und die Opfer aufsucht, lässt er vor Gericht dolmetschen. Nicht nur eine 84-Jährige fiel in der Innenstadt auf die Unfall-Geschichte herein. Auch eine 43-Jährige im Stuttgarter Süden: Sie übergab dem angeblichen "Herrn Rau" an der Haustür 1000 Euro. Eine ältere Frau in Stuttgart-Ost hat ihren Verlust von 4000 Euro bis heute psychisch nicht verkraftet.

Vorsitzender Richter Friedrich verurteilte Seweryn K. zu vier Jahren Haft - sechs Monate weniger als von der Staatsanwaltschaft beantragt. Dabei kam dem 29-jährigen Polen noch zugute, dass er ein Geständnis abgelegt und den Opfern einen Auftritt vor Gericht erspart hatte.

Einer seiner mutmaßlichen Hintermänner, die in Kreisen einer ethnischen Minderheit in Breslau vermutet werden, kam in Görlitz glimpflicher davon. Der 39-jährige Pole, den die Polizei als Anrufer vermutet, konnte im April dieses Jahres beim Görlitzer Landgericht durch seine Aussagebereitschaft einen Bonus herausschlagen. Er muss lediglich drei Jahre hinter Gitter.