Thomas Strobl (links) und Manuel Hagel (rechts) sind weiterhin nicht Mitglied im geschäftsführenden Fraktionsvorstand, den Wolfgang Reinhart (Mitte) leitet. Foto: Murat

Der innerhalb der CDU geführte Konflikt um das Wahlrecht im Südwesten geht weiter, wenn auch deutlich leiser. Eine Bilanz.

Stuttgart - Die Diskussionen um Änderungen am Wahlrecht Baden-Württembergs ebbt in der Südwest-CDU vor den heraufziehenden Europawahlen ab. Rund zwei Monate nach dem Höhepunkt des Konflikts ist klar: Die Fronten sind festgefahren. Eine Bilanz.

Widersacher setzen sich nicht in jedem Punkt durch

Wer den geschäftsführenden Vorstand in der Hand  hat, lenkt die Fraktion. Bislang gibt dort der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart (CDU) den Ton an – und daran wird sich  nichts ändern. Seine prominentesten Gegner – CDU-Landeschef Thomas Strobl und Generalsekretär Manuel Hagel – bleiben weiter außen vor. Mitglieder von Präsidium und Vorstand der Landes-CDU haben bereits Anfang Februar gefordert, Strobl und Hagel sollten in dieses Gremium einrücken.

Nachdem sich  zahlreiche  Verbände von Frauen-Union (FU) und Junger Union (JU) gegen Reinhart gewendet haben, sollte damit seine letzte Bastion krachend fallen. Vor allem die kompromisslose Weigerung Reinharts und großer Teile seiner Fraktion, das Wahlrecht – anders als im Koalitionsvertrag vereinbart – zu ändern, hat das Kritikfeuer auf sich gezogen.

Nur rund zwei Monate nach dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen ist klar: Der Fraktionsvorsitzende hat zwar heftig einstecken müssen, doch durchgesetzt haben sich seine Widersacher nicht durchweg. Indes  sitzt die Fraktionsspitze den Konflikt aus und pocht in ihrer  Basta-Haltung weiter auf das bestehende Wahlrecht.  Auch Reinhart lässt nicht locker: Seit März sind ihm treue Abgeordnete offensiv auf FU-Verbände  im Land zugegangen, um sie  vom bestehenden Wahlrecht zu überzeugen.

Auseinandersetzung zeigt Kluft zwischen Fraktion und ehrenamtlichen CDU-Mitgliedern

Dieses Manöver ist mitsamt einem eigens abgehaltenen Gespräch mit den Kreisvorständen der FU in Stuttgart schiefgegangen. Aber: Geht jemand derart in die Offensive, der sich schon als Verlierer sieht?

Die Fronten innerhalb der Landes-CDU sind inzwischen verhärtet: Weder Gegner  noch Befürworter der Wahlrechtsänderung bewegen sich derzeit. Eine Lösung scheint nicht in Sicht. Dazu passt Strobls jüngster Vorschlag, Parteien sollten selbst entscheiden, ob sie die  mindestens 50 Mandate über eine Zweitauszählung (wie bisher) oder über Landeslisten besetzen.

Gezeigt hat die parteiinterne Debatte um das Wahlrecht jedoch,  welch  Kluft zwischen den hauptberuflichen Politikern in der Fraktion und den ehrenamtlich Engagierten teils besteht. Manche  Abgeordnete wollten kein anderes Wahlrecht, weil sie sonst nicht mehr im Landtag säßen – ein Argument, das aus ehrenamtlichen CDU-Kreisen in den vergangenen Wochen häufig zu hören war.

"Hätte eine Muhterem Aras in der CDU eine Chance, nominiert zu werden? Ich glaube, nein."

Immerhin: "Strobls Vorschlag stellt eine Verbesserung der jetzigen Situation dar", zeigt sich Inge Gräßle, Landesvorsitzende der FU, vorsichtig optimistisch. "Wir hätten zusätzlichen Spielraum auf Parteitagen", betont die Europaabgeordnete auf Nachfrage unserer Zeitung. Gräßle fragt provokant: "Hätte eine Muhterem Aras in der CDU eine Chance, nominiert zu werden? Ich glaube, nein." Das neue Wahlrecht würde aus ihrer Sicht nicht nur neue Personen mit unüblicherem Lebenslauf ins Parlament bringen, sondern biete die Möglichkeit, "Wahlkreise mit wackeliger Mehrheit abzusichern".

Nicht wenige in der CDU teilen ihre Meinung. "In einer immer kleiner werdenden Fraktion kann nicht das Motto 'Hauptsache wir sind dabei' gelten", appelliert sie, zumal rund 40 Prozent aller Wahlkreise im Südwesten nicht mehr in CDU-Hand seien.

Reinhart verteidigt seine letzte Bastion erfolgreich

Der Verlust des Nimbus als unangefochtene Regierungspartei des Südwestens ist zwar an der Parteibasis nicht spurlos vorbeigegangen, aber viele der dafür verantwortlichen Berufspolitiker – so die Wahrnehmung – bemühen sich allem Anschein nach bislang  nur halbherzig um Lösungen.

Derweil hat Reinhart seine Fraktionsspitze erfolgreich verteidigt: "Der geschäftsführende Fraktionsvorstand  besteht aus dem Fraktionsvorsitzenden, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und dem Fraktionsgeschäftsführer", stellt Thomas Oeben, Sprecher der Landtagsfraktion auf Nachfrage klar. Heißt: Weil Strobl und Hagel keines dieser Ämter bekleiden, dürfen sie nicht in den geschäftsführenden Vorstand. Allerdings betont er, dass Strobl "regelmäßig" an den Sitzungen des "wichtigsten Entscheidungsgremiums der Fraktion" teilnehme. Außerdem seien die Abgeordneten dem Innenminister bereits entgegengekommen. Oeben: "Wir haben unsere Fraktionssatzung erstmals in der Geschichte der Fraktion zu Beginn der 16. Wahlperiode ganz bewusst geändert und das Teilnahmerecht an den Sitzungen des Fraktionsvorstands für den stellvertretenden Ministerpräsidenten erweitert."

Hagel braucht besondere Einladungen

Die Teilnahme Hagels an den Vorstandssitzungen sehe die Satzung nicht vor und "entspricht auch nicht der langjährigen Tradition". Es bedürfe dafür vielmehr der "'besonderen Einladung'", erklärt Oeben. Diese gehe direkt von Reinhart aus. Im Einzelfall spreche dieser "anlassbezogen und zu bestimmten Themen eine solche Einladung aus".

Der Verweis auf satzungsrechtliche Fragen gilt in der CDU als probates Mittel für  parteiinterne Konflikte. Auch mit Änderungen oder der Beibehaltung der Statuten lassen sich heikle politische Konstellationen  steuern.

Eine Frage bleibt jedoch offen: Wer in der CDU wird sich bewegen, wenn die Grünen Strobls Vorschlag ablehnen?