Teilnehmer am Prozess im Landgericht Stuttgart stehen vor Prozessbeginn im Gerichtssaal. Foto: Schuldt

H&K-Prozess zeigt Problematik von Waffenexporten. Angeklagte sehen Fall komplett anders.

Stuttgart/Oberndorf - Existierte ein Verbot, Waffen in bestimmte Unruheregionen Mexikos zu liefern oder nicht? Die Staatsanwaltschaft wirft Ex-Mitarbeitern von Heckler & Koch vor, gegen das Waffenkontrollgesetz verstoßen zu haben. Das sehen die Angeklagten ganz anders.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat sechs ehemaligen Mitarbeitern der Rüstungsfirma mehr als ein Dutzend gewerbs- und bandenmäßige Verstöße gegen das Waffenkontrollgesetz vorgeworfen. Zum Prozessauftakt am Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart sagte Oberstaatsanwalt Karlheinz Erkert, von 2006 bis 2009 hätten die Beschuldigten in 16 Fällen fast 4500 Sturmgewehre sowie Maschinenpistolen, Munition und Zubehör im Wert von 4,1 Millionen Euro in mehrere Unruhe-Regionen Mexikos geliefert, wohin die Waffen gar nicht hätten exportiert werden dürfen. Die Angeklagten hätten den Export wissentlich organisiert und sich davon "nicht unerhebliche Einnahmequellen versprochen".

Mehrere Rechtsanwälte und auch Angeklagte selbst wiesen die Vorwürfe zurück. Die Ware sei von Deutschland aus in ein Lager der zuständigen mexikanischen Behörde geliefert worden; damit sei die Ausfuhr abgeschlossen gewesen. Der Weiterverkauf der Waffen innerhalb des Landes sei durch die mexikanische Behörde erfolgt. Es stehe nirgends festgeschrieben, dass bestimmte mexikanische Regionen nicht beliefert werden dürften.

Der Prozess soll am 17. Mai fortgesetzt werden. Insgesamt sind bis Oktober zunächst 25 Verhandlungstage festgelegt.

Im Kern geht es um die sogenannte Endverbleibserklärung. Sie wird von jenem Staat ausgegeben, der die Waffen kauft und bestätigt, dass diese Waffen dann nicht an Drittländer weiterverkauft werden. Im Falle von Mexiko regelten diese Erklärungen jedoch der Anklage zufolge auch, dass die Waffen nicht in verschiedene Bundesstaaten des Landes geliefert werden dürfen, weil dort die Menschenrechte nicht gewahrt seien und sich Drogenbanden bekämpften.

Inwieweit die Angeklagten Kenntnis davon hatten und wissentlich gehandelt haben, muss nun ebenso geklärt werden wie die Rolle, die das Unternehmen Heckler & Koch selbst gespielt hat. Auch die deutschen Genehmigungsbehörden werden Thema sein: Das Bundeswirtschaftsministerium, das Ausfuhrgenehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz erteilt oder verweigert, sowie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das die Einhaltung der Genehmigungen überwacht.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Die Linke), der die Verhandlung als Waffenexperte für die Rosa-Luxemburg-Stiftung verfolgt, war enttäuscht, dass die Verantwortlichen aus den Genehmigungsbehörden nicht auf der Anklagebank sitzen. "Jetzt kann Heckler & Koch alles auf die Beamten schieben. Deren Taten sind verjährt, und am Ende kommen vielleicht alle ungestraft davon", sagte er.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hingegen wies darauf hin, dass man bereits vor Jahren geprüft habe, ob gegen die Beamten ein Anfangsverdacht bestehe. Das habe sich jedoch nicht bestätigt, so dass die Ermittlungen eingestellt worden seien.

Heckler & Koch mit Sitz in Oberndorf in Baden-Württemberg ist ein bedeutender Waffenlieferant: Unter anderem gehört das Sturmgewehr G36 zur Standardausrüstung der Bundeswehr. Auch die Streitkräfte aus zahlreichen Nato-Staaten beziehen Waffen aus dem Schwarzwald.