Noch Vision: Dieser Handelskomplex könnten sich gegenüber der neuen Bibliothek auf dem A1-Areal hinter dem Hauptbahnhof entwickeln Foto: ECE

OB Schuster unterstützt ein Einkaufszentrum auf dem A1-Areal, die Merhheit im Gemeinderat nicht.

Stuttgart - Vor einer Woche hat die Hamburger Otto-Versand-Tochter ECE mit Unterstützung von OB Wolfgang Schuster ihre Pläne für ein großes Einkaufszentrum hinter dem Bahnhof vorgestellt. Trotz des Angebots, auch Wohnungen zu bauen, finden die Vorstellungen von ECE im Gemeinderat keine Mehrheit.

ECE-Projektentwicklungschef Jens Jäpel will endlich zum Abschluss kommen. "Wir sind seit zwölf Jahren an diesem Projekt interessiert. Das verspricht Urbanität und wird die Innenstadt beflügeln", sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Schuster (CDU). Das klang abschließend - und wenig kompromissbereit.


Man halte sich an den Bebauungsplan, sagte Jäpel. Zur Entscheidung brauche man daher den Gemeinderat eigentlich gar nicht mehr, man werde ihn aber doch hören, ließ Schuster auf Nachfrage wissen.

Stellplatzzahl scheint der einzige Hebel

Das 60-köpfige Gremium sah sich düpiert. Die oberbürgermeisterliche Entscheidungskompetenz so weit zu dehnen, dass die Bürgervertretung nur per Gnadenakt beteiligt werden sollte, das ging manchem Stadtrat zu weit. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) wurde selten deutlich: "Der Gemeinderat hat die Verhandlungsmacht!", sagte er. Gemeint ist die Macht, an der Stellplatz-Schraube zu drehen. Die Einkaufs-Center Entwicklung mbH (ECE) will 2200, sieht sogar einen Anspruch auf 2450 Auto-Abstellplätze. Mehr als 1500 aber sind laut Hahn nicht drin, wenn man allen Investoren gleiche Maßstäbe vorgibt.

Die Stellplatzzahl scheint der einzige Hebel, mit dem der Gemeinderat die Ansiedlung der riesigen Shopping-Mall nach Art der Breuningerländer noch lenken kann.

Aus der Stadtverwaltung können die Fraktionen keine Hilfestellung erwarten. Schusters Wirtschaftsförderer Klaus Vogt setzte diese Woche über die Nachrichtenagenturen ECE-Werbung pur ab. Stuttgart baue auf der Brache hinter dem Bahnhof "die Zukunft urbanen Lebens". Mit dem "neuen Konzept" (Handel, Hotel, Büros, Wohnungen) "markieren die Bauträger einen Wendepunkt in der Entwicklung von Handelsimmobilien und Shoppingcentern", ließ Vogt wissen.

Im bestehenden City-Handel werde es "zu neuen Investitionen kommen, beispielsweise der Ladenbau modernisiert", so Vogt. Diese Diktion findet sich wortgleich im Internet-Auftritt der ECE, unter Punkt 7 der Handreichung "Fakten statt Vorurteile". Dort propagieren die Hamburger "Innenstadt-Stärkung durch integrierte Center".

Isolierter "Sündenfall" hinter dem Bahnhof

Stadträte wie Ulrike Küstler von der Linken sehen im Einsatz von Schuster und Vogt für ECE keine vertrauensbildende Maßnahme. "Es ist lächerlich, die 43.000 Quadratmeter Handel als Wendepunkt zu bezeichnen", sagt Küstler.

Nicht nur die Fraktion SÖS/Linke, auch die Sozialdemokraten und die Grünen - und damit eine Mehrheit im Rat - wollen weder 43000 Quadratmeter Handel noch 2200 Stellplätze. Die 400 Wohnungen seien "ordentlich", lobt Grünen-Fraktionschef Werner Wölfle. Ansonsten könne man den Plänen "nicht mal ansatzweise zustimmen", warnt er den Investor. Für die SPD ist bei 20.000 Quadratmeter Schluss. Die soll es nur dann geben, wenn in der City noch nicht vertretene Segmente Platz finden. Jäpel kontert mit 500 Millionen Euro Investitionssumme und "bis zu 1500 Arbeitsplätzen".

ECE lässt den bestehenden Handel schaudern. In der Innenstadt kann man heute auf 330.000 Quadratmetern shoppen, das sind 40 Prozent mehr als vor 15 Jahren. Platzhirsche wie Breuninger oder Peek&Cloppenburg, die ECE mit 27.500 Quadratmeter Verkaufsfläche für Bekleidung angreifen würde, halten sich zurück - vielleicht, weil sie den einen oder anderen der geplanten 200 Shops bespielen wollen, vielleicht, weil die Marktmacht von ECE als größtem Center-Betreiber Europas Respekt abnötigt.

Isolierter "Sündenfall" hinter dem Bahnhof

Sirenengesänge kommen von Verbandsvertretern. IHK-Geschäftsführer Bernd Engelhardt nennt die Shopping-Mall einen "Abfangjäger für alles, was die Heilbronner Straße runterfährt". 70 Prozent des Umsatzes von außen zu holen, was ein Gutachter im Auftrag der Stadt für ECE nachweist, sei "nicht nachvollziehbar". Andere Studien sagen das Gegenteil. Engelhardt sieht zwei Möglichkeiten: "Entweder geht das den Bach runter, oder die Innenstadt leidet."

Weder Kundenzahl noch Kaufkraft stiegen, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Einzelhandelsverbands im Land. Aber: "Wir können das nicht kippen, jetzt muss sich der Bestand aufstellen." Die City-Initiative, Sprachrohr der City-Händler, habe "nichts gegen Konkurrenz in integrierter Lage", sagt deren Sprecher Hans H. Pfeifer. Die Mall aber schließe nicht an die Königstraße an, sondern stehe isoliert weit hinterm Bahnhof, sei "eine gespiegelte Königstraße und ein heftiger Sündenfall".

Jäpel versuchte vor einer Woche zu beruhigen. Für die Innenstadt und die Breuningerländer bestehe "keine Gefahr", sagte der Geschäftsführer. ECE managt die Breuningerländer. In Ludwigsburg kam Jäpels Botschaft nicht an. Wenn das Haus in Stuttgart komme und man selbst nicht erweitern dürfe, "sind wir auf Dauer nicht konkurrenzfähig", prophezeite der dortige ECE-Manager Jörg Harengerd den Niedergang.