"Vergeben bezieht sich nur auf Personen, niemals auf die Sache"
Auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) scherte sich nicht darum, dass liberale Mitglieder des Bundestages und des Landtages die Veranstaltung boykottierten. Er sei gerade deshalb gekommen. Denn: „Man muss die Größe haben, einen politischen Konkurrenten zu ehren.“ Das Verhalten seiner Parteifreunde sei „Wahlkampf auf dem Rücken der Theodor-Heuss-Stiftung“. Der Protest draußen vor dem Schloss sei „unglaublich“.
Kretschmann warb in seiner Rede um Vergebung für Irrtümer und Fehler. Er teile die Meinung seiner Lieblings-Denkerin Hannah Arendt: „Vergeben bezieht sich nur auf Personen, niemals auf die Sache.“ Demnach seien Cohn-Bendits Äußerungen inakzeptabel und würden ihn sein Leben lang verfolgen, aber seine Person könne dennoch geehrt werden. Der gläubige Katholik betonte: „Verzeihung gibt die Chance, immer wieder neu anfangen zu können.“
Und Kretschmann erinnerte auch an den Namensgeber der Stiftung, Theodor Heuss. Dieser habe dem Ermächtigungsgesetz der Nazis zugestimmt, sei aber als Bundespräsident ein Glücksfall für die Bundesrepublik Deutschland gewesen. Sein Ja zur Machtübernahme der Nazis von 1933 sei nicht auszumerzen, aber dennoch sei er für seine späteren Leistungen zu würdigen.
Draußen im Regen machte sich ein ehemaliger Schüler der durch Missbrauchsskandale in Verruf geratenen Odenwaldschule auf den Heimweg. Anders als die Gäste im Schloss kann er nicht vergeben und vergessen. Denn der 53-Jährige ist Opfer der Übergriffe von Pädagogen an der früheren Reformschule geworden und protestierte mit dem Banner „Die Odenwaldschule lässt grüßen“ gegen die Auszeichnung. „Das ist schon eine Verletzung“, sagte er mit Blick auf die Ehrung des Grünen-Politikers. „Das, was er beschrieben hat, habe ich selbst sieben Jahr lang in der Odenwaldschule erlebt. Davon habe ich mich nie erholt."
Kommentare
Artikel kommentieren
Bitte beachten Sie: Die Kommentarfunktion unter einem Artikel wird automatisch nach sieben Tagen geschlossen.