Die Kosten für Asylbewerber steigen um rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Stuttgarts OB Fritz Kuhn wirbt trotzdem für eine freundliche Aufnahme der Flüchtlinge.
Die Kosten für Asylbewerber steigen um rund 20 Millionen Euro pro Jahr. Stuttgarts OB Fritz Kuhn wirbt trotzdem für eine freundliche Aufnahme der Flüchtlinge.
Der finanzielle Spielraum, der im Entwurf des Stuttgarter Stadthaushalts 2014/2015 für Sonderwünsche der Gemeinderatsfraktionen besteht, reicht hinten und vorne nicht. Jetzt werden auch noch die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen im Jahr 2014 knapp 20 Millionen Euro mehr kosten als bisher, 2015 immerhin 16 Millionen – weil die Zahl der Zufluchtssuchenden 2014 weiter steigt.
Im Haushaltsentwurf sind diese Mehrkosten bisher nicht enthalten – und schon dieser Entwurf bedeutete enge Vorgaben für die Stadträte: Pro Haushaltsjahr dürfe der Gemeinderat maximal 15 Millionen Euro für eigene Anliegen auf den Entwurf draufsatteln, hatten Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) und OB Fritz Kuhn (Grüne) erklärt. Für alle weiteren Ausgaben müsse an anderer Stelle entsprechend gestrichen werden, sonst laufe der Haushalt aus dem Ruder. Die November-Steuerschätzung des Bundes eröffnete dann einen Lichtblick für die Stadt: Die Steuereinnahmen könnten sich um 20 Millionen pro Jahr erhöhen. Doch das rafft der Flüchtlingssektor wieder hinweg.
Schon 2013 mussten mehr Menschen als zuvor hier Zuflucht suchen. 2014 wird sich das voraussichtlich fortsetzen. Kuhn wies zuletzt vergangene Woche bei der Verleihung des vom Deutsch-Türkischen Forum ausgelobten Manfred-Rommel-Preises darauf hin. Zu den 1300 Asylsuchenden, die neben geduldeten Flüchtlingen und Spätaussiedlern momentan in Stuttgart leben, könnten 2014 rund 1400 hinzukommen, sagte der OB. Dabei ging es ihm nicht um Ausgrenzung. Im Gegenteil: Er warb dafür, die Menschen freundlich aufzunehmen.
Mögliche Standorte für Systembauten auflisten
Organisatorisch und finanziell bedeutet das dennoch eine Herausforderung. Kämmerer Föll, Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) sowie Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) sollen klären, wo die Flüchtlinge unterkommen. Das Ziel ist es, mögliche Standorte für Systembauten aufzulisten, die Zug um Zug realisiert werden, wenn die Flüchtlinge tatsächlich kommen. Ähnlich hatte man es gehalten, als die Stadt Interimsstandorte für weitere Kindertagesstätten suchte. Wenn in den Stadtbezirken Standorte abgelehnt wurden, mussten die Bezirksbeiräte Ersatzvorschläge machen.
Die finanziellen Folgen erschweren die Haushaltsberatungen, bei denen Stadtverwaltung und Stadträte sowieso schon um viele neue Investitionen ringen. Eine Reihe von wichtigen Entscheidungen ist bei der Ersten Lesung des Haushalts, die am Dienstag endete, auf die Zweite Lesung Anfang Dezember vertagt worden. Manches wird sich erst in der – dann öffentlichen – Dritten Lesung am 20. Dezember klären. Dass bei manchen längst die Nerven blankliegen, wurde am Dienstag deutlich.
Bernd Klingler protestierte scharf, nachdem mehrere Soloanträge seiner FDP abgelehnt worden waren. Mit Anliegen wie dem Ausbau des Stadtteilmanagements hatte man sich profilieren wollen. Ihr Versprechen, dass bei den Etatberatungen alle Fraktionen mitgenommen würden und man auf Gemeinsamkeit setze, werde nicht eingehalten, hielt er den Grünen vor. Die FDP stelle aber auch populistisch diverse unakzeptable Anträge, hält Peter Pätzold dagegen.
Alexander Kotz (CDU) warf der rot-rot-grünen Mehrheit Alleingänge vor, weil sie den Finanzspielraum für Zusatzwünsche mit einem Kunstgriff erweitern will: Die 150 Millionen Euro, die die Stadt für den Erwerb des Wassernetzes bereit halten will, soll der städtische Eigenbetrieb Stadtentwässerung durch Kredite aufbringen – und die Stadt soll 40 der bisher eingeplanten 150 Millionen anders verwenden. Die SPD-Idee wurde von den Grünen und der Fraktion SÖS/Linke übernommen. Für Kotz ist der Alleingang der knappen öko-sozialen Mehrheit ohne Rücksprache mit anderen Fraktionen ein Signal, dass man auch in grundsätzlichen Fragen der Stadtpolitik auf Gemeinsamkeit pfeift. Pätzold kontert, Kotz sei schon vorher in einer Oppositionsrolle aufgegangen.