Seit einem knappen Jahr klafft in der Firnhaberstraße ein großes Loch. Historiker waren zuvor mit dem Versuch gescheitert, das alte Gebäude zu erhalten. Foto: Piechowski Foto: Schwarzwälder-Bote

Im Hospitalviertel klafft an prominenter Stelle seit Monaten eine Baugrube / Die Hintergründe sind unklar

Von Jürgen Bock

Stuttgart. Vor fast einem Jahr ist im Stuttgarter Hospitalviertel eines der mutmaßlich ältesten Häuser der Stadt abgerissen worden. Gebaut wird bisher nicht. Eine merkwürdige Geschichte um Denkmalschutz, Streitigkeiten und eine Wiederauferstehung.

Bis zum August 2012 gab es im Hospitalviertel ein Stück Stuttgarter Geschichte zu bewundern. Ein Wengerterhaus in der Firnhaberstraße wurde von Experten auf die Zeit um spätestens 1650 taxiert – oder gar noch viel früher. Es zählte damit zu den ältesten noch stehenden Häusern der Stadt.

Heute ist an dieser Stelle nur eine Baugrube. Der Denkmalschutz war aufgehoben worden, nachdem im Jahr 1999 ein Gutachten zum Schluss gekommen war, es sei zu wenig von der ursprünglichen Bausubstanz erhalten. Im vergangenen Jahr ging dann alles ganz schnell. Das Wengerterhäuschen ist unter großen Protesten von Historikern verschwunden. Eine ganze Menge Fragen sind geblieben.

Zum Beispiel, warum seit fast einem Jahr nicht gebaut wird. Eine Objektgesellschaft des früheren Fußball-Nationalspielers Walter Kelsch plante dort ein fünfgeschossiges Geschäftshaus mit Büros und Wohnungen. Die Büroetagen waren bereits verkauft. Doch dann kam es offenbar zu Unstimmigkeiten zwischen Beteiligten, das Projekt geriet ins Stocken. Einige dieser Streitigkeiten beschäftigen inzwischen die Gerichte.

Mittlerweile hat das Grundstück den Besitzer gewechselt. Kelsch bestätigt über seinen Rechtsanwalt, dass es ihm nicht mehr gehört. Neuer Besitzer ist seit rund drei Monaten die Firma Pro Contact aus Leinfelden-Echterdingen. Die wolle die geplante Projektentwicklung fortsetzen, heißt es. Das bestätigt deren Geschäftsführer Rainer Neumann, der von einer reibungslosen Abwicklung mit Kelschs Objektgesellschaft, die ihren Sitz inzwischen von der Firnhaberstraße ins bayerische Ruderting verlegt hat, spricht.

Allerdings hat das Zerwürfnis der früheren Beteiligten auch Auswirkungen auf den neuen Besitzer. "Wir wollten eigentlich viel früher anfangen, müssen aber einiges gerade rücken", sagt Neumann. Es handle sich um "eine schwierige Angelegenheit". Er hoffe, in ein bis zwei Monaten anfangen zu können.

Kurioses tut sich auch bei der Stadt: Laut einem Sprecher geht man dort davon aus, "dass das Grundstück Herrn Kelsch noch gehört". Das aber ist seit drei Monaten nicht mehr der Fall.

Stadt setzt Verwirrspiel die Krone auf

Um dem Verwirrspiel die Krone aufzusetzen, steht dessen Wiederauferstehung unmittelbar bevor. Allerdings nicht in der Firnhaberstraße. Während der Abrissarbeiten im vergangenen Jahr hat sich der Stuttgarter Unternehmer und Denkmalschützer Peter Seydelmann eingeschaltet. Er hat auf eigene Faust ein Spezialunternehmen beauftragt, das mit der Abbruchfirma zusammengearbeitet und die Bausubstanz, so weit möglich, fachmännisch abgetragen.

Seydelmann will das Wengerterhaus an anderer Stelle wieder aufbauen lassen. Sehr wahrscheinlich wird das in Backnang sein, wo er derzeit Gespräche über mögliche Standorte mit der Stadt führt.